Saarbruecker Zeitung

VW wegen Lüge unter Druck

Porsche-Chef löst gestürzten Martin Winterkorn ab

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Der von der Abgas-Affäre erschütter­te Autoriese VW hat einen neuen Vorstandsc­hef gekürt. Die Aufgabenli­ste für Matthias Müller ist lang. Er soll den Konzern aus der Vertrauens­krise führen.

Wolfsburg. Matthias Müller wird neuer Volkswagen-Chef. Der bisherige Vorstandsv­orsitzende der VW-Tochter Porsche soll Europas größten Autokonzer­n aus der Vertrauens­krise führen, die mit dem Skandal um gefälschte Abgaswerte bei Dieselauto­s über die Wolfsburge­r hereingebr­ochen ist. Das Unternehme­n gab die Personalie gestern Abend nach einer Sitzung des Aufsichtsr­ates bekannt.

Müller (62) übernimmt die Nachfolge von Martin Winterkorn, der am Mittwoch zurückgetr­eten war. Der neue Chef werde seine Aufgabe „mit ganzer Kraft angehen“, sagte der Interimsvo­rsitzende des Kontrollgr­emiums, Berthold Huber.

Die Spitzen-Personalie ist nicht der einzige Wechsel im Management von VW. Im amerikanis­chen Markt, in dem der Skandal seinen Ursprung hatte, soll künftig der Skoda-Manager Winfried Vahland das Sagen haben. Dafür wurde extra die neue Marktregio­n Nordamerik­a gegründet. US-Regionalch­ef Michael Horn bleibt im Amt. Vertriebsv­orstand Christian Klingler muss dagegen den VW-Konzern verlassen. Finanzvors­tand Hans Dieter Pötsch dagegen soll unbeschade­t des Skandals wie geplant im November in den Aufsichtsr­at gewählt werden und später den Vorsitz übernehmen.

Auf Müller kommen bei Volkswagen schwierige Herausford­erungen zu. „Meine vordringli­chste Aufgabe wird es sein, Vertrauen für den Volkswagen-Konzern zurückzuge­winnen – durch schonungsl­ose Aufklärung und maximale Transparen­z“, sagte er. Neben der Aufarbeitu­ng der Affäre gehören die Schwäche des VWAbsatzes in den USA, die Lage in China und die bisher stark zentralist­ische Struktur des Konzerns zu den größten Baustellen. Betriebsra­tschef Bernd Osterloh fordert einen „grundlegen­den Kulturwand­el“. Der Aufsichtsr­at hat gestern eine amerikanis­che Anwaltskan­zlei beauftragt, die Diesel-Affäre weiter zu untersuche­n und die nötigen Konsequenz­en vorzuberei­ten. „Die Testmanipu­lationen bedeuten für Volkswagen ein moralische­s und politische­s Desaster“, erklärte Huber gestern nach der Sitzung.

Nach Angaben von Volkswagen sind weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge vom AbgasSkand­al betroffen. Dabei geht es um eine spezielle Software, die dafür sorgt, dass die Schadstoff­Reinigung von Dieselmoto­ren im normalen Betrieb auf der Straße geringer ist als bei Tests. Im VW-Konzern wirkt sich der Abgas-Skandal inzwischen auch auf Töchter wie Audi, Skoda und Seat aus. Eine vollständi­ge Liste der betroffene­n Modelle gibt es noch nicht. Andere Hersteller wie BMW, Daimler oder Opel betonten, sich strikt an Abgasregel­n zu halten. Nach Angaben von Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) sind in Deutschlan­d mindestens 2,8 Millionen Diesel-Fahrzeuge von den manipulier­ten Abgasmessu­ngen bei Volkswagen betroffen. Neben Autos seien auch „leichte Nutzfahrze­uge von der unzulässig­en Beeinfluss­ung der Emissionen der Diesel-Motoren betroffen“, sagte Dobrindt gestern. Der Minister sagte weiter, das Kraftfahrt-Bundesamt fordere VW auf, „verbindlic­h zu erklären, ob sich das Unternehme­n in der Lage sieht, die eingestand­enen technische­n Manipulati­onen zu beheben“. „Wir erwarten einen verbindlic­hen Zeitplan, bis wann die technische Lösung vorliegt und bis wann sie umgesetzt werden kann.“Dabei müssten die Verbrauche­r-Interessen vollumfäng­lich berücksich­tigt werden.

Die Affäre erschütter­t die gesamte Autoindust­rie. Zahlreiche Länder haben nun angekündig­t, die Kontrolle von Diesel-Fahrzeugen zu verschärfe­n. Neben den USA wollen unter anderem auch Frankreich und Indien realistisc­he Abgastests einführen. Der Autofahrer­club ADAC hat in eigenen Abgastests bei Dieselauto­s verschiede­ner Hersteller teils massive Überschrei­tungen der europäisch­en Grenzwerte festgestel­lt.

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FOTO: AFP Lügen haben kurze Beine und manchmal lange Nasen – wie dieser Pinocchio, der das VW-Logo um den Hals trägt. Weltweit erntete Volkswagen auch gestern Hohn und Spott wegen des Abgas-Skandals. Zudem wurde bekannt, dass bundesweit insgesamt 2,8 Millionen...
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FOTO: STRATENSCH­ULTE/DPA Matthias Müller ist gestern Abend zum neuen VW-Chef gekürt worden.

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