Saarbruecker Zeitung

Seine-Metropole ohne Autos

Pariser Zentrum ist am Sonntag autofreie Zone – Aktionstag ganz im Zeichen der Verkehrspo­litik der neuen Bürgermeis­terin

- Von dpa-Mitarbeite­r Sebastian Kunigkeit

Luftversch­mutzung ist in Paris ein riesiges Problem. Deshalb macht die Stadt Autofahrer­n das Leben immer schwerer: Mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger, Tempolimit­s, Verbote für Altfahrzeu­ge und jetzt ein autofreier Sonntag.

Paris. Die Champs-Élysées ohne Hupkonzert, der Platz der Republik ohne Blechkolon­nen: Das Pariser Stadtzentr­um ist am Sonntag autofreie Zone. Wenige Monate vor der UN-Klimakonfe­renz soll der Aktionstag ein Zeichen setzen. „So können wir zeigen, dass Paris ohne Autos funktionie­ren kann“, sagte Bürgermeis­terin Anne Hidalgo.

Eine steile These angesichts der Blechlawin­en, die Tag für Tag über die Boulevards kriechen. Und der Sonntag ohne Autos ist auch eine eher überschaub­are PR-Aktion geworden. Das Verbot gilt nur von 11 bis 18 Uhr und be- trifft vor allem das direkte Zentrum, der Großteil der Stadt ist für den Verkehr frei (wenn auch nur mit Tempo 20). Für Taxis und Umzüge gelten Ausnahmen.

Doch hinter der Symbolik steckt ein klarer Kurs: Priorität für Fahrräder und den öffentlich­en Nahverkehr. Seit Jahren baut Paris sein Fahrradnet­z aus und macht Autofahrer­n das Leben schwerer – zum Teil gegen heftige Widerständ­e. Aus Sicht der Stadtspitz­e gibt es keine andere Möglichkei­t, um der Luftversch­mutzung in dem Verkehrsmo­loch Herr zu werden. Gerade entlang wichtiger Achsen werden Grenzwerte für Feinstaub häufig überschrit­ten.

„Seit ihrem Einzug ins Rathaus hat Madame Hidalgo einen echten Krieg gegen Verschmutz­ung und Diesel angefangen“, urteilte die Zeitung „Le Monde“schon im Frühjahr. Die 2014 gewählte Sozialisti­n will alte Fahrzeuge Stück für Stück aus der Stadt drängen, seit 1. September sind die Straßen für alte Busse und Lastwagen tabu. In den kommenden Jahren soll das Verbot auch auf alte Autos ausgedehnt werden. Mit Ausnahme der wichtigen Hauptstraß­en soll bald in ganz Paris Tempo 30 gelten.

Zugleich setzt Hidalgo die Politik ihres Vorgängers fort, öffentlich­en Raum von den Autofahrer­n „zurückzuer­obern“. Sieben große Plätze will sie umgestalte­n, darunter die Bastille. OTon-Hidalgo: „Ich sage es ganz klar: Die Autos werden einen Rest-Platz haben und nicht den Hauptplatz.“Weiteres Vorzeigepr­ojekt ist die Sperrung der rechten Uferstraße an der Seine für Autos. Das gegenüberl­iegende Ufer ist bereits Fußgängerz­one.

Autoverbän­de sind auf den Barrikaden. Die Vereinigun­g „40 Millionen Autofahrer“fürchtet längere Fahrtzeite­n, mehr Staus, mehr Abgase und mehr Lärmbeläst­igung für Anwohner der Straßen, auf die Autofahrer dann ausweichen müssen. Gerade viele Menschen aus den Banlieues sind außerdem darauf angewiesen, für die Arbeit nach Paris zu pendeln.

Doch selbst die konservati­ve Opposition im Stadtrat unterstütz­t grundsätzl­ich das Ziel, den Autoverkeh­r zu begrenzen. Das scheint Folgen zu haben: Laut Hidalgo haben heute noch 40 Prozent der Pariser ein eigenes Auto – 2001 seien es 60 Prozent gewesen. Der Verkehr auf den Hauptverke­hrsachsen ging von 2001 bis 2013 um ein Viertel zurück.

Die Gewinner sind die Radfahrer. Seit 1998 ist das Radwegenet­z von gerade 120 Kilometern auf mehr als 700 Kilometer gewachsen, dabei zählen allerdings Busspuren und die Freigabe von Einbahnstr­aßen entgegen der Fahrt-

Im Sommer wird die Schnellstr­aße Voie George Pompidou für mehrere Wochen zur Strandprom­enade. Am Sonntag soll die ganze Innenstadt autofrei bleiben.

richtung mit. Fahrräder gehören längst zum Straßenbil­d, dürfen an vielen Ampeln auch bei Rot rechts abbiegen, und jede Sekunde nimmt sich ein Pariser ein Rad an einer der mehr als 1200 Stationen des Verleihsys­tems Vélib. Bis 2020 sollen die Radwege verdoppelt werden, der Radverkehr­santeil von fünf auf 15 Prozent steigen. Dies zeigt aber auch, dass Paris noch aufzuholen hat: In München und Berlin liegt der Fahrradant­eil schon heute in diesem Bereich – ganz zu schweigen von Fahrradmet­ropolen wie Kopenhagen. Hidalgo sieht ihren autofreien Tag denn auch als Teil einer „Erziehungs­bewegung“, wie sie der Zeitung „Le Parisien“sagte. Sie hofft, dass die nächste Auflage im kommenden Jahr auch einen größeren Teil der Stadt umfasst – das hatte der Polizeiprä­fekt diesmal noch verhindert.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany