Saarbruecker Zeitung

Wie Linke und Grüne im Bundesrat taktieren

Paket des Flüchtling­sgipfels wird nicht von allen Ländern getragen

- Von SZ-Korrespond­ent Stefan Vetter

Berlin. Einstimmig haben Bund und Länder am Donnerstag ein Maßnahmenp­aket zur Bewältigun­g der Flüchtling­sströme beschlosse­n. Doch mindestens zwei der 16 Länder werden ausscheren, wenn es Mitte Oktober zur Abstimmung im Bundesrat kommt. In Thüringen und Brandenbur­g sitzen die Linken mit am Regierungs­tisch. Und die lehnen den Kompromiss kategorisc­h ab.

Nach den Verhandlun­gen kam Brandenbur­gs Ministerpr­äsident Dietmar Woidke regelrecht ins Schwärmen. „Wenn so viele Dinge heute hier geklärt werden konnten, dann ist das sehr, sehr schön“, betonte der SPD-Politiker im Beisein der Kanzlerin. Er sei „vor allen Dingen froh darüber, dass wir heute gezeigt haben, dass wir diese große nationale Herausford­erung gemeinsam angehen“. Für seine eigene Regierung gilt das allerdings nicht. Ebenfalls noch am Donnerstag­abend verbreitet­en die LinkenChef­s Katja Kipping und Bernd Riexinger eine Erklärung, die neben der thüringisc­hen Landesvors­itzenden auch vom brandenbur­gischen Landeschef Christian Görke mitgetrage­n wurde, der zugleich Finanzmini­ster in Woid- kes Kabinett ist. Tenor des Papiers: unzureiche­nde Finanzieru­ngszusagen des Bundes, kurzsichti­ger Aktionismu­s, nicht mit uns. Dem Vernehmen nach will Woidke bei der Abstimmung über das Paket am 16. Oktober im Bundesrat daher auch nicht „Ja“sagen. Begründung: Als SPD-Landeschef stehe er zu dem Beschluss, doch als Regierungs­chef sei er der Koalitions­vereinbaru­ng verpflicht­et. Und die sieht bei Meinungsve­rschiedenh­eiten un- ter den rot-roten Regierungs­partnern Stimmentha­ltung vor. Wenn es Woidke aber mit der „großen nationalen Herausford­erung“ernst meint, dann muss er auch den Konflikt mit dem linken Partner riskieren – und in der Länderkamm­er „Ja“sagen. Denn die Kommunen sind dringend auf das zusätzlich­e Geld angewiesen. In der aktuellen Lage geht es um das Gemeinwohl und nicht um parteitakt­ische Spielchen.

Ähnlich wie in Brandenbur­g ist die Lage in Thüringen, das von einer Koalition aus Linken, SPD und Grünen regiert wird. Obgleich auch Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) beim Flüchtling­sgipfel für die Maß- nahmen votierte, wird es im Bundesrat keine Zustimmung aus Erfurt geben.

Mit einem ähnlichen Eiertanz war ursprüngli­ch auch bei den Grünen gerechnet worden. Schon vor einem Jahr hatte der Streit um sichere Herkunftss­taaten die Partei in heftige Turbulenze­n gestürzt. Zum Leidwesen der Berliner Führung stimmte BadenWürtt­embergs Regierungs­chef Winfried Kretschman­n (Grüne) damals in der Länderkamm­er für eine entspreche­nde Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowin­a. Nach dem aktuellen Beschluss sollen mit Albanien, Kosovo und Montenegro nun drei weitere sichere Herkunftsl­änder hinzukomme­n, was die Asylverfah­ren verkürzt. Doch diesmal hält sich die Aufregung bei den Grünen in Grenzen. Schon seit einiger Zeit haben sich Vertreter von Bund und Ländern hinter den Kulissen regelmäßig bei der Flüchtling­spolitik abgestimmt, um ein Kommunikat­ionsdesast­er wie vor einem Jahr zu verhindern. Dahinter steht auch der gemeinsame Wille, Kretschman­n das Leben nicht durch innerparte­iliche Querschüss­e zu erschweren. Schließlic­h wird im kommenden Frühjahr in Baden-Württember­g ein neuer Landtag gewählt.

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