Wie Linke und Grüne im Bundesrat taktieren
Paket des Flüchtlingsgipfels wird nicht von allen Ländern getragen
Berlin. Einstimmig haben Bund und Länder am Donnerstag ein Maßnahmenpaket zur Bewältigung der Flüchtlingsströme beschlossen. Doch mindestens zwei der 16 Länder werden ausscheren, wenn es Mitte Oktober zur Abstimmung im Bundesrat kommt. In Thüringen und Brandenburg sitzen die Linken mit am Regierungstisch. Und die lehnen den Kompromiss kategorisch ab.
Nach den Verhandlungen kam Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke regelrecht ins Schwärmen. „Wenn so viele Dinge heute hier geklärt werden konnten, dann ist das sehr, sehr schön“, betonte der SPD-Politiker im Beisein der Kanzlerin. Er sei „vor allen Dingen froh darüber, dass wir heute gezeigt haben, dass wir diese große nationale Herausforderung gemeinsam angehen“. Für seine eigene Regierung gilt das allerdings nicht. Ebenfalls noch am Donnerstagabend verbreiteten die LinkenChefs Katja Kipping und Bernd Riexinger eine Erklärung, die neben der thüringischen Landesvorsitzenden auch vom brandenburgischen Landeschef Christian Görke mitgetragen wurde, der zugleich Finanzminister in Woid- kes Kabinett ist. Tenor des Papiers: unzureichende Finanzierungszusagen des Bundes, kurzsichtiger Aktionismus, nicht mit uns. Dem Vernehmen nach will Woidke bei der Abstimmung über das Paket am 16. Oktober im Bundesrat daher auch nicht „Ja“sagen. Begründung: Als SPD-Landeschef stehe er zu dem Beschluss, doch als Regierungschef sei er der Koalitionsvereinbarung verpflichtet. Und die sieht bei Meinungsverschiedenheiten un- ter den rot-roten Regierungspartnern Stimmenthaltung vor. Wenn es Woidke aber mit der „großen nationalen Herausforderung“ernst meint, dann muss er auch den Konflikt mit dem linken Partner riskieren – und in der Länderkammer „Ja“sagen. Denn die Kommunen sind dringend auf das zusätzliche Geld angewiesen. In der aktuellen Lage geht es um das Gemeinwohl und nicht um parteitaktische Spielchen.
Ähnlich wie in Brandenburg ist die Lage in Thüringen, das von einer Koalition aus Linken, SPD und Grünen regiert wird. Obgleich auch Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) beim Flüchtlingsgipfel für die Maß- nahmen votierte, wird es im Bundesrat keine Zustimmung aus Erfurt geben.
Mit einem ähnlichen Eiertanz war ursprünglich auch bei den Grünen gerechnet worden. Schon vor einem Jahr hatte der Streit um sichere Herkunftsstaaten die Partei in heftige Turbulenzen gestürzt. Zum Leidwesen der Berliner Führung stimmte BadenWürttembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) damals in der Länderkammer für eine entsprechende Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. Nach dem aktuellen Beschluss sollen mit Albanien, Kosovo und Montenegro nun drei weitere sichere Herkunftsländer hinzukommen, was die Asylverfahren verkürzt. Doch diesmal hält sich die Aufregung bei den Grünen in Grenzen. Schon seit einiger Zeit haben sich Vertreter von Bund und Ländern hinter den Kulissen regelmäßig bei der Flüchtlingspolitik abgestimmt, um ein Kommunikationsdesaster wie vor einem Jahr zu verhindern. Dahinter steht auch der gemeinsame Wille, Kretschmann das Leben nicht durch innerparteiliche Querschüsse zu erschweren. Schließlich wird im kommenden Frühjahr in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt.