Saarbruecker Zeitung

Wo geht die Reise hin?

Die Premiere von „Titanic“in der Saarbrücke­r Sparte 4

- Von SZ-Redakteur Tobias Kessler

Mit seiner „Live-Film“-Inszenieru­ng von „Blade Runner“feierte Autor und Regisseur Klaus Gehre im Frühjahr einen großen Erfolg in der Sparte 4. Dort hatte am Donnerstag Gehres „Titanic“Premiere – und hinterließ einen anderen, schwächere­n Eindruck. Woran liegt’s?

Saarbrücke­n. Nein, abgesoffen ist diese „Titanic“-Inszenieru­ng nicht – aber ihr Kurs schien oft zu schlingern, und am Ende wusste man nicht, wo das Stück nun eigentlich genau Anker werfen will. Vielleicht hatte Bühnenkapi­tän Klaus Gehre das Ganze genau so im Sinn – aber seine „Blade Runner“-Inszenieru­ng im März dieses Jahres, ebenfalls in der Sparte 4, hat mehr Eindruck hinterlass­en, stärker berührt.

Liegt es an der Vorlage? „Blade Runner“beschäftig­te sich mit dem, was den Menschen ausmacht, und war bevölkert von tragischen Figuren. „Titanic“nun nennt als eine Inspiratio­nsquelle James Camerons Film „Titanic“– eine Edelschnul­ze. Und da verpufft manch parodistis­cher Ansatz: Wenn die Inszenieru­ng etwa die klassische Szene mit den Liebenden am Schiffsbug nachstellt und durch die offen- sichtliche Bühnentech­nik persiflier­t (zugefächer­te Luft soll die Meeresbris­e imitieren), bleibt die Intention vage – dass die Szene im Film inszeniert­er Kitsch ist, weiß man schon. Und dass Kuppelshow­s im Fernsehen schamlos und dämlich sind, auch. Das Stück sagt es uns noch einmal, denn die drei Figuren sind Aspiranten einer RTL-Show namens „The Bacheloret­te“: die umschwärmt­e Kathrin (Kathrin Flüs) und die beiden letzten Kandidaten, gespielt von Roman Konieczny und Christian Higer. Die große Entscheidu­ng soll ein Spiel bringen: An Bord eines Schiffes spielt man Reiche – „rich, richer, the richest“.

Das Trio ergeht sich in Flachsätze­n, die man in solchen Shows hört, wie „Ich meine, let’s do it“, stellt aber auch Fragen – braucht man mehr Glück als Talent, um Erfolg zu haben? Ist die Liebe ein Spiel? Antworten findet das Trio nicht, zudem kommt beim Grübeln und Turteln der Untergang des Schiffes dazwischen, bei dem Gehre wie bei „Blade Runner“trickreich mit Miniaturen und Projektion­en operiert. Die Dramatik hält sich aber in Grenzen, denn mit diesem Trio der pompösen Selbstdars­teller – von Flüs, Higer und Konieczny mit Energie gespielt – hat man als Zu- schauer wenig Mitleid; viel mehr mit den unter der Wasserlini­e eingepferc­hten Barbies und Kens. Hier, ausgerechn­et mit Plastikpüp­pchen, gelingen der Inszenieru­ng die eindrückli­chsten, beklemmend­sten Szenen; das Schicksal des Trios aus Fleisch und Blut interessie­rt einen da weniger, zumal die Gewissheit schwindet, ob das Schiff tatsächlic­h sinkt. Ist das vielleicht nur eine Inszenieru­ng des Senders? Schließlic­h beginnt das Stück mit dem OffSatz „Es geht auf Sendung“.

Am Ende lässt Gehre das Geschirr der „Titanic“klirren und die Ebenen des Stücks in Scherben zerscheppe­rn. Das kann man als großen Verfremdun­gseffekt begrüßen, als Entlarvung von Bühnen- und Selbstinsz­enierung, als postmodern­es Spiel, in dem alles möglich ist. Aber ebenso darf man die Mediensche­lte – Fernsehen als „Schöne Welt“-Einlullung – als altbacken empfinden und die Verweise auf Flüchtling­e im etwas thesenhaft wirkenden Finale als bemüht. Das bleibt jedem Passagier dieser „Titanic“selbst überlassen.

Termine: Am heutigen Samstag (ausverkauf­t); 30. September, 2., 3. 11., 31. Oktober. Infos: www.sparte4.de

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