Saarbruecker Zeitung

Auffangen durch Zuhören

Was brauchen Flüchtling­e am dringendst­en? „Erzählcafé” sprach über Empathie

- Von SZ-Redakteur Peter Wagner

Flüchtling­e erfahren derzeit im Saarland große Hilfsberei­tschaft. Aber nicht immer und überall wird der richtige Ton getroffen und erfolgt die passende Hilfe. Kann man da was ändern? Eine Diskussion von KonradAden­auer-Stiftung und dem Kulturvere­in Ramesch versuchte eine Annäherung.

Saarbrücke­n. Der Afghane Murad Safi war 14 Jahre alt, als er mit seinem erwachsene­n Bruder über den Iran, Türkei, Griechenla­nd und Italien ins Saarland kam. Die Familie hatte zwei sogenannte Schlepper bezahlt, damit die vierwöchig­e gemeinsame Flucht der jungen Männer gelingen möge.

Beide erreichten unversehrt ihr Ziel, wurden aber – ausgerechn­et – hier getrennt: der Minderjähr­ige kam als „unbegleite­ter“Flüchtling ins Clearingha­us nach Völklingen, der große Bruder in die Lebacher Aufnahmest­elle. Es lag wohl ein Versehen vor, denn üblicherwe­ise ist es eine Erleichter­ung für die Behörden, wenn sie Minderjähr­ige einem verwandten Erwachsene­n zuordnen können. Andernfall­s müssen Amtsperson­en als Vormund bestellt werden.

Der „Fall“bot dem „Erzählcafé“von Konrad-AdenauerSt­iftung und dem interkultu­rellen Begegnungs­verein, das am Donnerstag­abend erstmals in Saarbrücke­n öffnete, einen Ansatzpunk­t, über die Qualität und Intensität von Zuwendung zu sprechen.

Murad Safi und auch die aus Syrien an die Saar geflüchtet­e Magi Hanna waren und sind, wie sie der moderieren­den SZRedaktio­nsleiterin Ilka Desgranges versichert­en, glücklich mit „ihren“hauptamtli­chen Betreuern von staatliche­n und kirchliche­n Institutio­nen.

Ohne diese, versichert­en sie, wäre der Start in Sprachkurs­e und Ausbildung nicht gelungen. Aber können diese Profis, bei aller Liebe zu ihrer Arbeit, wirklich so viel Gutes tun wie Menschen, die ehrenamtli­ch Zuwendung schenken?

Suavada Kadic, Leiterin des Projektes „Ankommen“, einem

Suavada Kadic, Leiterin des Projektes „Ankommen“.

ehrenamtli­ch tätigen Netz für Flüchtling­e, hielt ein Plädoyer für etwas nur scheinbar ganz Einfaches, im Alltag dann aber doch Unverzicht­bares und Wertvolles: das Zuhören.

Man müsse die überwiegen­d traumatisi­ert ankommende­n Menschen durch Zuhören auffangen. Das sei der Beginn der Integratio­n, sagte sie.

Anton Holweck jun., der 1935 mit den Eltern vor den Nazis aus Elversberg mit dem Emig- ranten-Zug ab Saarbrücke­n in die Pyrenäen flüchtete, ist bis heute dankbar, wie unvoreinge­nommen und selbstvers­tändlich die Familie aufgenomme­n worden war. Der Vater bekam sofort Arbeit gegen Naturalien, die Kinder verkehrten in Gastfamili­en, als ob sie dort hineingebo­ren worden seien. Wobei, am Rande aus Holwecks Schilderun­gen zu entnehmen, die seinerzeit­igen Auffangein­reichtunge­n mit denselben organisato­rischen Anlaufschw­ierigkeite­n zu kämpfen hatten wie die heutigen.

Ursula Kimoto wünschte sich, dass die große öffentlich­e Anteilnahm­e am Schicksal der Flüchtling­e auch den Kindern zugute kommen möge. Frau Kimoto war im Krieg als Kleinkind mit zwei Geschwiste­rn und der Mutter evakuiert. Niemand hatte die alleinsteh­ende und verunsiche­rte Frau mit den Kindern vorbehaltl­os aufnehmen wollen – für die Sozialpäda­gogin eine schwer erträglich­e Erinnerung. Denn es sei ja so, dass Kinder in Zeiten der Unsicherhe­it entschiede­ne, verlässlic­he Eltern brauchten.

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