Auffangen durch Zuhören
Was brauchen Flüchtlinge am dringendsten? „Erzählcafé” sprach über Empathie
Flüchtlinge erfahren derzeit im Saarland große Hilfsbereitschaft. Aber nicht immer und überall wird der richtige Ton getroffen und erfolgt die passende Hilfe. Kann man da was ändern? Eine Diskussion von KonradAdenauer-Stiftung und dem Kulturverein Ramesch versuchte eine Annäherung.
Saarbrücken. Der Afghane Murad Safi war 14 Jahre alt, als er mit seinem erwachsenen Bruder über den Iran, Türkei, Griechenland und Italien ins Saarland kam. Die Familie hatte zwei sogenannte Schlepper bezahlt, damit die vierwöchige gemeinsame Flucht der jungen Männer gelingen möge.
Beide erreichten unversehrt ihr Ziel, wurden aber – ausgerechnet – hier getrennt: der Minderjährige kam als „unbegleiteter“Flüchtling ins Clearinghaus nach Völklingen, der große Bruder in die Lebacher Aufnahmestelle. Es lag wohl ein Versehen vor, denn üblicherweise ist es eine Erleichterung für die Behörden, wenn sie Minderjährige einem verwandten Erwachsenen zuordnen können. Andernfalls müssen Amtspersonen als Vormund bestellt werden.
Der „Fall“bot dem „Erzählcafé“von Konrad-AdenauerStiftung und dem interkulturellen Begegnungsverein, das am Donnerstagabend erstmals in Saarbrücken öffnete, einen Ansatzpunkt, über die Qualität und Intensität von Zuwendung zu sprechen.
Murad Safi und auch die aus Syrien an die Saar geflüchtete Magi Hanna waren und sind, wie sie der moderierenden SZRedaktionsleiterin Ilka Desgranges versicherten, glücklich mit „ihren“hauptamtlichen Betreuern von staatlichen und kirchlichen Institutionen.
Ohne diese, versicherten sie, wäre der Start in Sprachkurse und Ausbildung nicht gelungen. Aber können diese Profis, bei aller Liebe zu ihrer Arbeit, wirklich so viel Gutes tun wie Menschen, die ehrenamtlich Zuwendung schenken?
Suavada Kadic, Leiterin des Projektes „Ankommen“, einem
Suavada Kadic, Leiterin des Projektes „Ankommen“.
ehrenamtlich tätigen Netz für Flüchtlinge, hielt ein Plädoyer für etwas nur scheinbar ganz Einfaches, im Alltag dann aber doch Unverzichtbares und Wertvolles: das Zuhören.
Man müsse die überwiegend traumatisiert ankommenden Menschen durch Zuhören auffangen. Das sei der Beginn der Integration, sagte sie.
Anton Holweck jun., der 1935 mit den Eltern vor den Nazis aus Elversberg mit dem Emig- ranten-Zug ab Saarbrücken in die Pyrenäen flüchtete, ist bis heute dankbar, wie unvoreingenommen und selbstverständlich die Familie aufgenommen worden war. Der Vater bekam sofort Arbeit gegen Naturalien, die Kinder verkehrten in Gastfamilien, als ob sie dort hineingeboren worden seien. Wobei, am Rande aus Holwecks Schilderungen zu entnehmen, die seinerzeitigen Auffangeinreichtungen mit denselben organisatorischen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen hatten wie die heutigen.
Ursula Kimoto wünschte sich, dass die große öffentliche Anteilnahme am Schicksal der Flüchtlinge auch den Kindern zugute kommen möge. Frau Kimoto war im Krieg als Kleinkind mit zwei Geschwistern und der Mutter evakuiert. Niemand hatte die alleinstehende und verunsicherte Frau mit den Kindern vorbehaltlos aufnehmen wollen – für die Sozialpädagogin eine schwer erträgliche Erinnerung. Denn es sei ja so, dass Kinder in Zeiten der Unsicherheit entschiedene, verlässliche Eltern brauchten.