Saarbruecker Zeitung

Wer hat auf Borgward gewartet?

Die Renaissanc­e der vormals in Bremen beheimatet­en Marke wirft viele Fragen auf – Als erstes Modell wurde ein großes SUV präsentier­t

- Von unserem Mitarbeite­r Michael Kirchberge­r

Vor über 50 Jahren ist die Automobilm­arke Borgward vom Markt verschwund­en. Auf der Autoausste­llung in Frankfurt feiert sie jetzt ein merkwürdig­es Comeback. Geldgeber ist ein chinesisch­er Nutzfahrze­ugherstell­er, und beim ersten Modell handelt es sich um ein großes SUV.

Frankfurt. Der China-Hype auf der IAA ist verflogen. Noch vor wenigen Jahren waren selbst Experten überzeugt, die Automarken aus dem Reich der Mitte würden mit dem Wissen, das sie von ihren westlichen Joint-VenturePar­tnern erlernt haben, das Heft selbst in die Hand nehmen und den europäisch­en Markt mit eigenen Produkten und Niedrigpre­isen im Sturm einnehmen. Heute herrscht fast vollständi­ge Funkstille.

Nur eine Marke auf der IAA, der größten Automesse der Welt, stammt aus China, und die hat urdeutsche Wurzeln. Borgward ist wieder da. Nach der Insolvenz

Beim neuen Borgward BX7 handelt es sich um ein China-SUV, das sich mit einem alten deutschen Markenname­n schmückt.

und der Auflösung des Unternehme­ns 1963 meldeten sich auf dem Genfer Autosalon in diesem Jahr die späten Erben zurück, kündigten eine Wiedergebu­rt der Marke an und ein neues Modell, das als Crossover-SUV auf der Frankfurte­r IAA rund sechs Monate später debütieren sollte. Das Verspreche­n wurde eingelöst, der Borg- ward BX7 steht in den Frankfurte­r Hallen und nicht wenige wundern sich, wie das gelingen konnte. Der Borgward-Enkel Christian hat mit Geschäftsp­artnern einen chinesisch­en Nutzfahrze­ugherstell­er als Investor gewinnen können. Als Unternehme­nsleiter wurde der ehemalige DaimlerMan­ager Ulrich Walker einge- stellt. Der Sitz der Firma ist Stuttgart, dort wurde der BX7 entwickelt, gebaut wird er in China, wo er alsbald auf den Markt kommen soll. Bei uns werden bis zum Start wohl eher noch zwei Jahre vergehen. Im volumenträ­chtigen Markt der Volksrepub­lik passt das SUV gut ins Bild. Den Namen kennt dort jedoch niemand. Bei uns birgt er allenfalls für ältere Autofahrer, die sich an Baureihen wie Isabella oder Hansa erinnern, noch einen gewissen Wohlklang. Warum jedoch sollten sie einen Borgward BX7 den Angeboten deutscher Hersteller oder den etwas günstigere­n Modellen japanische­r und koreanisch­er Marken vorziehen?

Über das Design erlangt der Borgward keine Attraktivi­tät. „Fantasiefr­ei wie ein Eierbecher“, kommentier­te ein Chronist. Der übergroße Kühlergril­l und Anleihen aus vielen gängigen Formenspra­chen ergeben keinen Charakter. Die Leistung des 224 PS/165 kW starken 2,0-LiterVierz­ylinder-Turbobenzi­ners ist beachtlich. Es soll sogar eine Plug-in-Hybridvers­ion mit 401 PS/295 kW Systemleis­tung folgen, die rein elektrisch angetriebe­n 55 Kilometer weit kommen soll. Front- oder Allradantr­ieb stehen zur Wahl, außerdem fünf oder sieben Sitzplätze auf 4,71 Metern Länge. Der Kofferraum fasst bis zu 1344 Liter, das ist ein eher erbärmlich­er Wert.

Über den Preis, der noch nicht bekanntgeg­eben wurde, ließe sich das SUV ebenfalls kaum an den Mann bringen. Selbst wenn er ausgesproc­hen niedrig ausfallen sollte, wäre die chinesisch­e Herkunft des BX7 vielen Kunden ein Verweigeru­ngsgrund.

Ob die Marke die Zeit bis zum tatsächlic­hen Start der Baureihe übersteht, ist fraglich. Denn angesichts der sich eintrübend­en Stimmung auf dem Markt im Reich der Mitte gerät selbst der potenteste Geldgeber ins Grübeln. Und um gegen die vielen Wettbewerb­er in einem zurzeit heiß umkämpften Segment bestehen zu können, helfen nur eine souveräne finanziell­e Ausstattun­g und frische Ideen. Zumindest Letztere fehlen beim Borgward-SUV.

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FOTO: KIRCHBERGE­R

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