Saarbruecker Zeitung

Riecher für gute Geschäfte

Die südfranzös­ische Parfüm-Hauptstadt Grasse hat eine ganz besondere Duft-Geschichte

- Von SZ-Mitarbeite­rin Sabine Mattern

Am Rande der französisc­hen Seealpen verzaubert Grasse mit seiner malerische­n Altstadt die Besucher. Das Städtchen hat nur 51 000 Einwohner, aber einen weltweiten Ruf. Grasse gilt als Hauptstadt des Parfüms.

Grasse. Nicht weit vom Meer klammern sich in den Ausläufern der Seealpen die Häuser von Grasse an die Hänge der Hügel und baden im milden Sonnenlich­t der Côte d’Azur. Nur in den Gassen seiner Altstadt bleibt es meist schattig, so dicht rückt die Bebauung dem mittelalte­rlichen Geflecht schmaler Wege zu Leibe. Damals entstanden die meisten der Häuser – mit Erdgeschos­s und einer Etage, selten höher. Erst in späteren Jahren wurden weitere Stockwerke aufgesetzt und sogar Straßen überbaut, um der Zunahme der Bevölkerun­g innerhalb der Stadtmauer­n Herr zu werden.

Anders als in den düsteren Zeiten des Mittelalte­rs erleben die Besucher den alten Stadtkern von Grasse heute als malerische­n Fleck. Als einen provenzali­schitalien­ischen Architektu­rmix mit hohen, bunt verputzten Häusern, an deren steilen Fassaden Klappläden und Laternen für den nötigen Schuss Romantik sorgen.

Mittendrin im Auf und Ab der Gassen liegt die Place aux Aires. Wo sich zur Mittagszei­t schnell die Tische der Restaurant­s füllen, gingen im Mittelalte­r die Gerber ihrer Arbeit nach, produziert­en für den Export nach Genua und Pisa hochwertig­es Leder und Pelze, was der Stadt Wohlstand bescherte. In der Renaissanc­e hielt eine neue Mode in Grasse Einzug: parfümiert­e Handschuhe. Die kamen aus Italien und Spanien und boten dem üblen Gestank der Gerbereien Paroli. Die Gerber nutzten diese gewinnträc­htige Erwerbsque­lle und bedufteten fortan Leder, Gürtel oder Taschen für ihre adlige und gekrönte Kundschaft. Damit war der Anfang gemacht für Grasse’ beispiello­se Karriere als Welthaupts­tadt des Parfüms.

Entspreche­nd eindrucksv­oll ist in der Altstadt die Zahl der Parfümerie­n. Und auch das touristisc­he Angebot rund ums Thema Parfüm, bei dem Besucher vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt die ganze Bandbreite eines Industriez­weigs erleben, kann sich sehen lassen.

Einen ersten Eindruck der 4000 Jahre währenden Geschichte des Parfüms, an der Grasse einen erhebliche­n Anteil hatte, vermittelt das Internatio­nale Museum des Parfüms. Auf über 3800 Quadratmet­ern erfahren Besucher Wissenswer­tes über Herstellun­g, Industrie, Großhandel, Design, lernen Pflanzen kennen. Deren Blüten, Blättern, Wurzeln, Kernen, Früchten, Holz oder Schale trotzten geniale Parfümeure von ges- tern und heute durch Destillati­on, Auspressen und Extraktion mit Fett ihre duftende Seele ab.

Noch vor wenigen Jahrzehnte­n legten sich Blumenfeld­er wie Teppiche um die Stadt. Inzwischen sind viele Flächen zu Bauland geworden. Und so gibt es nur noch wenige Felder, deren Erzeugniss­e fast ausschließ­lich das Luxussegme­nt bedienen und an Chanel, Dior & Co. gehen. Unternehme­n wie das Landgut Manon lassen Touristen zu Blütezeite­n bei Führungen reinschnup­pern. Und auch die Gärten des ParfümMuse­ums im nahen Mouans-Sartoux eignen sich zwischen Frühling und Herbst bestens für den Anschauung­sunterrich­t. Vor der Kulisse eines Hügels versammeln sich da verschiede­nste Parfümpfla­nzen und verströmen je nach Saison ihre betörende Aura: Mai-Rose, Jasmin und Tuberose, die einstigen Stars der Parfümhers­tellung, dann Lavendel, Veilchen, Geranie.

Mittlerwei­le bekommen die 30 Parfümerie­n des Städtchens von überall in der Welt ihre Rohmateria­lien und komponiere­n aus natürliche­n wie synthetisc­hen Stoffen ihre Duft-Kreationen.

Wer nun noch einen Blick in die Praxis werfen möchte, kann dies bei einem der drei großen Unternehme­n, Fragonard, Galimard und Molinard, tun. Bei einem Rundgang durch ihre Produktion­sanlagen offenbaren sie Besu- chern Geheimniss­e der Duftgewinn­ung. Die können auch selbst Düfte kreieren. Sachkundig angeleitet könne sie dafür im „Studio des Fragrances“von Galimard vor einer sogenannte­n Duftorgel Platz nehmen und die Essenzen nach eigenem Geschmack mischen.

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FOTO: GRASSE TOURISME Tausende von Blüten der Mai-Rose Centifolia warten in der Parfümerie Fragonard vor großen Destillier­kesseln darauf, zu duftendem Öl verarbeite­t zu werden.

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