Saarbruecker Zeitung

Gauck: Aufnahme von Flüchtling­en hat Grenzen

Präsident fordert Debatte über Asyl – EU rügt deutsche Abschiebep­raxis

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Bundespräs­ident Joachim Gauck hat mit mahnenden Worten in die Debatte um die Flüchtling­skrise eingegriff­en. Er forderte, sich mit den Grenzen deutscher Aufnahmefä­higkeit auseinande­rzusetzen.

Mainz. Nach der Ankunft mehrerer Hunderttau­send Flüchtling­e in Deutschlan­d hat Bundespräs­ident Joachim Gauck in deutlichen Worten von Grenzen der Aufnahmefä­higkeit gesprochen. Es bestehe ein „fundamenta­les Dilemma“zwischen großer Hilfsberei­tschaft auf der einen Seite und endlichen Möglichkei­ten auf der anderen, sagte Gauck gestern in Mainz. In einer Ansprache zur Eröffnung der Interkultu­rellen Woche erklärte das Staatsober­haupt, das Asylrecht sei nicht nach Zahlen bemessen, aber „unsere Aufnahmeka­pazität ist begrenzt, auch wenn noch nicht ausgehande­lt ist, wo diese Grenzen liegen“. Nötig seien Analysen und eine breite gesellscha­ftliche Debatte, wie eine humane Aufnahme gesichert werden könne.

Als eine der Herausford­erungen nannte Gauck den Wohnungsba­u. „Wettbewerb um Wohnraum, besonders preiswerte­n Wohnraum, dürfte unvermeidl­ich sein.“Auch sei ungewiss, ob es überall sofort ausreichen­d Plätze in Kindertage­sstätten und Schulen gebe. Aber Deutschlan­d habe bereits wiederholt bewiesen, dass es materielle Herausford­erungen meistern könne. Der Bundespräs­ident warnte davor, dass unter den geflüchtet­en Menschen auch Fundamenta­listen sein könnten. „Denen sage ich: Wir wollen in diesem Land keinen religiösen Fanatismus. Gotteskrie­ger müssen wissen: Der Rechtsstaa­t duldet keine Gewalt.“Dies gelte auch für „rechtsradi­kale Brandstift­er und Hetzer“.

Gauck dankte den freiwillig­en Helfern und sagte mit Blick auf den Winter, das Engagement sei auch dann noch nötig, „wenn die Euphorie des ersten Helfens verflogen ist“. Schließlic­h wandte er sich an die Geflüchtet­en: „Nach den Mühen Ihrer Odyssee will ich Ihnen sagen: Sie sind hier sicher.“

Derweil hat die EU-Kommission in einem Schreiben eine zunehmend lasche Abschiebep­raxis in Deutschlan­d bemängelt, wie die „Frankfurte­r Allgemeine Sonntagsze­itung“schreibt. Danach lebten 2014 in Deutschlan­d 128 000 Personen ohne Aufenthalt­serlaubnis, aber nur 34 000 hätten eine Aufforderu­ng zur Ausreise erhalten, 22 000 seien dieser gefolgt.

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Joachim Gauck

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