Trotz Ermittlungen klebt Blatter am Fifa-Thron
Fifa-Chef bleibt trotz Strafverfahren der Schweizer Behörden im Amt – Ethikkommission zögert mit Suspendierung
Trotz Strafverfahren und Ermittlungen durch die Fifa-Ethiker klammert sich Joseph Blatter an seine brüchige Macht. Auch am zweiten Tag nach dem Beben ließ der öffentlich geforderte Rücktritt auf sich warten.
Zürich. Nach dem schwärzesten Tag seiner Amtszeit war das Büro von Joseph Blatter (79) auf dem Zürichberg auch am späten Abend noch hell erleuchtet. Leicht vornübergebeugt und ohne Krawatte stand der Fifa-Präsident am Freitag in der Zentrale des wankenden Fußball-Weltverbands hinter seinem Schreibtisch. Ein dauerhafter Verbleib im Amt dürfte trotz aller Beratungen mit seinen Anwälten nur schwerlich gelingen. Und auch Uefa-Präsident Michel Platini (60) steht mächtig unter Druck – auch wenn er von den Schweizer Behörden derzeit nur als „Auskunftsperson“geführt wird.
Gegen Blatter wird ermittelt, weil er die Fernsehrechte für die Weltmeisterschaften in Südafrika 2010 und Brasilien 2014 für einen Spottpreis von insgesamt 600 000 Euro an die Karibische Fußball-Union verkauft haben. Deren Präsident Jack Warner verkaufte sie einem Bericht des Schweizer Fernsehens zufolge für 15 bis 20 Millionen Dollar weiter. Und dann ist da noch eine Zahlung von Blatter an Platini über zwei Millionen Franken. Es geht dabei um geleistete Dienste zwischen Januar 1999 und Juni 2002. Das Geld floss aber erst im Februar 2011.
Nach der Eröffnung eines Strafverfahrens durch die Schweizer Bundesanwaltschaft müssen Blatter und Platini nun von der Fifa-Ethikkommission befragt werden. Das unabhängige Gremium könnte die beiden mit einer Suspendierung aus dem Verkehr ziehen, tut sich mit einer schnellen Entscheidung aber offensichtlich sehr schwer. Als Ende Mai in Zürich sieben Fifa-Funktionäre verhaftet wurden und die US-Anklage gegen insgesamt 14 Personen bekannt wurde, reagierte die Ethikkommission noch am gleichen Tag und sperrte elf davon provisorisch. Mit ihrem jetzigen Zögern setzt sie die eigene Glaub- würdigkeit aufs Spiel.
Dass Blatter aufgrund der Drohkulisse den Ausweg eines sofortigen Rücktritt wählt und somit den geplanten Abgang am 26. Februar beim Wahlkongress vorwegnimmt, damit ist vorerst wohl nicht zu rechnen. Ein vorzeitiges Abdanken stehe „nicht zur Diskussion“, sagte Blatters früherer persönlicher Berater Klaus J. Stöhlker der „Schweiz am Sonntag“. „Der Präsident hat nicht die geringsten Sorgen. Er ist guten Mutes.“Auch die erste Reaktion der Anwälte deutete nicht auf einen kampflosen Abgang hin. Der beanstandete Vertrag für die Übertragungsrechte bei der WM in Südafrika sei „von den Mitarbeitern korrekt vorbereitet und verhandelt worden“.
Kein Wort verlor US-Anwalt Richard Cullen hingegen zur pikanten Zahlung von Blatter an Platini. Der Franzose selbst teilte mit: „Dieser Betrag steht in Bezug zu meiner Arbeit, die ich unter einem Vertrag mit der Fifa geleistet habe und ich bin froh, dass ich diese Angelegenheit mit den Behörden klarstellen konnte.“Bislang hatte Platini den Favoritenstatus auf die Nachfolge seines heutigen Erzfeindes inne. Nun muss er jedoch schnell beantworten, warum er für Dienste zwischen Januar 1999 und Juni 2002 erst knapp neun Jahre später von Blatter bezahlt wurde – just in dem Jahr, als die Uefa-Verbände unter der Führung von Platini den Schweizer im Wahlkampf gegen den Katarer Mohamed bin Hammam unterstützten.
Das europaweite Presse-Echo für Platini ist verheerend. „Sollten sich die Verdachtsmomente in seinem Fall erhärten, würde Blatter wohl auch seinen Intimfeind und potenziellen Nachfolger Platini mit in den Abgrund ziehen“, analysierte etwa die „NZZ“. „Es wäre dies das absur-
Noch spät im Büro: Es gab für Joseph Blatter viel zu besprechen in den vergangenen Tagen. Die Schweizer Behörden ermitteln gegen den Fifa-Präsidenten.
de Ende einer Geschichte, die als Männerfreundschaft begann – und ein Spiegel des verheerenden Systems Fifa ist.“
Einem alten Bekannten kommt das aktuelle Führungsdilemma im Weltfußball ganz gelegen. „Die Notwendigkeit für eine neue Führung, die die Glaubwürdigkeit der Fifa wiederherstellen kann, war niemals offenkundiger“, teilte Prinz Ali bin al-Hussein mit. Im Mai war der Jordanier bei der Präsidentenkür noch Blatter unterlegen gewesen – und könnte nun ein großer Nutznießer sein.
MEINUNG
Zico: Der frühere brasilianische Nationalspieler hat als ehemaliger Sportminister seines Landes politische Erfahrung. Dennoch ist der 62-Jährige chancenlos und hat noch Probleme, die für eine Kandidatur notwendigen fünf Unterstützerstimmen von Nationalverbänden zu bekommen. Er glänzt bei öffentlichen Auftritten nicht gerade mit Kenntnissen über das fußballpolitische Geschehen.