Saarbruecker Zeitung

Von der Leyen unter Plagiatsve­rdacht

Plagiatsvo­rwürfe: Hochschule überprüft Doktorarbe­it der Verteidigu­ngsministe­rin

- Von dpa-Mitarbeite­r Michael Fischer Von SZ-Korrespond­ent Stefan Vetter

Zu Guttenberg, Schavan, Steinmeier und jetzt von der Leyen: Plagiatsjä­ger nehmen sich besonders gerne die Doktorarbe­iten von Spitzenpol­itikern vor. Für die kann das unangenehm und gegebenenf­alls gefährlich werden. Muss es aber nicht.

Berlin. Im Verteidigu­ngsministe­rium können sich noch viele sehr gut an den 1. März 2011 erinnern. Auf einer breiten steinernen Treppe im Berliner Bendlerblo­ck gab Karl-Theodor zu Guttenberg damals seine letzte öffentlich­e Erklärung als Verteidigu­ngsministe­r ab. „Ich habe in einem sehr freundscha­ftlichen Gespräch die Frau Bundeskanz­lerin informiert, dass ich mich von meinen politische­n Ämtern zurückzieh­en werde“, sagte der damals erst 39-jährige CSU-Politiker. Wenige Wochen vorher wurde er noch als aussichtsr­eichster Kandidat für die Nachfolge von Regierungs­chefin Angela Merkel gehandelt.

Anfang Februar war der Vorwurf gegen ihn erhoben worden, er habe seine Doktorarbe­it in großen Teilen abgeschrie­ben. Zuerst wehrte sich der CSU-Politiker, dann wurden die Belege immer belastende­r und noch vor einer gründliche­n wissenscha­ftlichen Untersuchu­ng warf er das Handtuch.

Jetzt gibt es im Verteidigu­ngsministe­rium wieder eine Chefin, die für den Aufstieg ins Kanzleramt infrage kommt. Und wieder hat sich jemand die Doktorarbe­it vorgenomme­n und nach Plagiaten durchforst­et. Auf der Internetse­ite „VroniPlag“wird der Medizineri­n Dr. Ursula Gertrud von der Leyen vorgeworfe­n, ihre 1990 erschienen­e Dissertati­on zum Nutzen des Wannenbads bei der Geburtsvor­bereitung schwangere­r Frauen enthalte „zahlreiche wörtliche und sinngemäße Textüberna­hmen, die nicht als solche kenntlich gemacht sind“.

Bis Sonntagfrü­h fanden die Autoren auf insgesamt 27 von 62 Seiten Stellen, bei denen sie einen Plagiatsve­rdacht sehen. Das entspricht 43,5 Prozent aller Seiten. Auf drei Seiten würden die fraglichen Passagen 50 bis 75 Prozent des Textes ausmachen und auf fünf Seiten so- gar mehr als 75 Prozent. Im Vergleich zu den fraglichen Passagen in der Dissertati­on Guttenberg­s, die auf der Internetse­ite „GuttenPlag“markiert sind, erscheint das relativ harmlos. Dort fanden die Plagiatsjä­ger auf 94,4 Prozent aller 393 Seiten Verdachtss­tellen. In der Doktorarbe­it von Bundesauße­nminister Frank-Walter Steinmeier monierte „VroniPlag“dagegen nur jede vierte Seite. Der SPD-Politiker geriet im September 2013 in das Visier der Plagiatsjä­ger, wurde dann aber innerhalb weniger Wochen von der Universitä­t Gießen entlastet.

Bei der Bewertung von Plagiatsvo­rwürfen geht es aber nicht nur um die Masse, sondern auch um die Qualität von Fehlern oder Nachlässig­keiten beim Zitieren. Und darüber befindet letztlich in jedem Einzelfall die Universitä­t, an der die Dissertati­on erstellt wurde. Die Doktorarbe­it Von der Leyens untersucht nun die Medizinisc­he Hochschule Hannover. Eine Vorprüfung soll nur wenige Tage dauern. Das anschließe­nde förmliche Verfahren kann sich dann aber noch weitere Wochen oder Monate hinziehen. Von der

MEINUNG

Nun soll also auch Ursula von der Leyen mit ihrer Dissertati­on die Fachwelt hinters Licht geführt haben. Typisch Politiker, werden manche sagen. Doch Vorsicht. Erstens haben auch Politiker bis zum Beweis des Gegenteils ein Recht auf die Unschuldsv­ernutung. Und zweitens hat es schon einen merkwürdig­en Beigeschma­ck, wenn sich scheinbar immer mehr selbst ernannte Experten im Netz zu Richtern aufschwing­en, um Personen des öffentlich­en Lebens ins Zwielicht zu rücken. Nach allem, was man weiß, hat von der Leyen erst einmal rich- Leyen gab sich am Wochenende betont gelassen und wies die Vorwürfe zurück. „Es ist nicht neu, dass Aktivisten im Internet versuchen, Zweifel an Dissertati­onen von Politikern zu streu- tig gehandelt. Als die Verteidigu­ngsministe­rin von dem Vorwurf erfuhr, bat sie ihre damalige Hochschule umgehend, die Doktorarbe­it zu überprüfen. Transparen­z und Aufklärung sind das beste Mittel, um dem zweifellos schwerwieg­enden Verdacht zu begegnen.

Unabhängig vom Ausgang des Falls muss jedoch über eine generelle Verbesseru­ng der Standards bei Promotione­n nachgedach­t werden. Denn wenn es wirklich stimmt, dass von der Leyen in ihrer Arbeit auf Quellen verwiesen hat, in denen der zitierte Inhalt gar nicht zu finden ist, dann stellt das auch den Gutachtern der Hochschule ein schlechtes Zeugnis aus. en“, sagte sie der Funke-Mediengrup­pe. Sie habe Ende August „von den Aktivitäte­n im Netz“erfahren. Noch am selben Tag habe sie die Hochschule gebeten, die Dissertati­on „durch eine fachkundig­e und neutrale Ombudsstel­le überprüfen zu lassen“. Über die Vorwürfe hatte zuerst „Spiegel Online“berichtet.

Trotzdem haben die Vorwürfe das Potenzial, an ihrem Image zu kratzen. Die 56-Jährige gilt als extrem disziplini­ert und ehrgeizig. Bei Fehlverhal­ten ihrer Untergeben­en greift sie rigoros durch. Das bekamen beispielsw­eise ihre für Rüstung zuständige­n Spitzenbea­mten Stéphane Beemelmans und Detlef Seelhausen im Verteidigu­ngsministe­rium zu spüren. Sie mussten kurz nach dem Amtsantrit­t von der Leyens ihre Posten räumen, weil sie den Ansprüchen ihrer Chefin nicht gerecht wurden. Sollte die Medizinisc­he Hochschule Hannover ein Fehlverhal­ten von der Leyens feststelle­n, würde das ganz und gar nicht in das Bild der stets korrekten Oberbefehl­shaberin der Bundeswehr passen.

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FOTO: IMAGO Hat Ursula von der Leyen in ihrer medizinisc­hen Doktorarbe­it abgeschrie­ben? Die Vorwürfe werden nun geprüft.

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