Von der Leyen unter Plagiatsverdacht
Plagiatsvorwürfe: Hochschule überprüft Doktorarbeit der Verteidigungsministerin
Zu Guttenberg, Schavan, Steinmeier und jetzt von der Leyen: Plagiatsjäger nehmen sich besonders gerne die Doktorarbeiten von Spitzenpolitikern vor. Für die kann das unangenehm und gegebenenfalls gefährlich werden. Muss es aber nicht.
Berlin. Im Verteidigungsministerium können sich noch viele sehr gut an den 1. März 2011 erinnern. Auf einer breiten steinernen Treppe im Berliner Bendlerblock gab Karl-Theodor zu Guttenberg damals seine letzte öffentliche Erklärung als Verteidigungsminister ab. „Ich habe in einem sehr freundschaftlichen Gespräch die Frau Bundeskanzlerin informiert, dass ich mich von meinen politischen Ämtern zurückziehen werde“, sagte der damals erst 39-jährige CSU-Politiker. Wenige Wochen vorher wurde er noch als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge von Regierungschefin Angela Merkel gehandelt.
Anfang Februar war der Vorwurf gegen ihn erhoben worden, er habe seine Doktorarbeit in großen Teilen abgeschrieben. Zuerst wehrte sich der CSU-Politiker, dann wurden die Belege immer belastender und noch vor einer gründlichen wissenschaftlichen Untersuchung warf er das Handtuch.
Jetzt gibt es im Verteidigungsministerium wieder eine Chefin, die für den Aufstieg ins Kanzleramt infrage kommt. Und wieder hat sich jemand die Doktorarbeit vorgenommen und nach Plagiaten durchforstet. Auf der Internetseite „VroniPlag“wird der Medizinerin Dr. Ursula Gertrud von der Leyen vorgeworfen, ihre 1990 erschienene Dissertation zum Nutzen des Wannenbads bei der Geburtsvorbereitung schwangerer Frauen enthalte „zahlreiche wörtliche und sinngemäße Textübernahmen, die nicht als solche kenntlich gemacht sind“.
Bis Sonntagfrüh fanden die Autoren auf insgesamt 27 von 62 Seiten Stellen, bei denen sie einen Plagiatsverdacht sehen. Das entspricht 43,5 Prozent aller Seiten. Auf drei Seiten würden die fraglichen Passagen 50 bis 75 Prozent des Textes ausmachen und auf fünf Seiten so- gar mehr als 75 Prozent. Im Vergleich zu den fraglichen Passagen in der Dissertation Guttenbergs, die auf der Internetseite „GuttenPlag“markiert sind, erscheint das relativ harmlos. Dort fanden die Plagiatsjäger auf 94,4 Prozent aller 393 Seiten Verdachtsstellen. In der Doktorarbeit von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier monierte „VroniPlag“dagegen nur jede vierte Seite. Der SPD-Politiker geriet im September 2013 in das Visier der Plagiatsjäger, wurde dann aber innerhalb weniger Wochen von der Universität Gießen entlastet.
Bei der Bewertung von Plagiatsvorwürfen geht es aber nicht nur um die Masse, sondern auch um die Qualität von Fehlern oder Nachlässigkeiten beim Zitieren. Und darüber befindet letztlich in jedem Einzelfall die Universität, an der die Dissertation erstellt wurde. Die Doktorarbeit Von der Leyens untersucht nun die Medizinische Hochschule Hannover. Eine Vorprüfung soll nur wenige Tage dauern. Das anschließende förmliche Verfahren kann sich dann aber noch weitere Wochen oder Monate hinziehen. Von der
MEINUNG
Nun soll also auch Ursula von der Leyen mit ihrer Dissertation die Fachwelt hinters Licht geführt haben. Typisch Politiker, werden manche sagen. Doch Vorsicht. Erstens haben auch Politiker bis zum Beweis des Gegenteils ein Recht auf die Unschuldsvernutung. Und zweitens hat es schon einen merkwürdigen Beigeschmack, wenn sich scheinbar immer mehr selbst ernannte Experten im Netz zu Richtern aufschwingen, um Personen des öffentlichen Lebens ins Zwielicht zu rücken. Nach allem, was man weiß, hat von der Leyen erst einmal rich- Leyen gab sich am Wochenende betont gelassen und wies die Vorwürfe zurück. „Es ist nicht neu, dass Aktivisten im Internet versuchen, Zweifel an Dissertationen von Politikern zu streu- tig gehandelt. Als die Verteidigungsministerin von dem Vorwurf erfuhr, bat sie ihre damalige Hochschule umgehend, die Doktorarbeit zu überprüfen. Transparenz und Aufklärung sind das beste Mittel, um dem zweifellos schwerwiegenden Verdacht zu begegnen.
Unabhängig vom Ausgang des Falls muss jedoch über eine generelle Verbesserung der Standards bei Promotionen nachgedacht werden. Denn wenn es wirklich stimmt, dass von der Leyen in ihrer Arbeit auf Quellen verwiesen hat, in denen der zitierte Inhalt gar nicht zu finden ist, dann stellt das auch den Gutachtern der Hochschule ein schlechtes Zeugnis aus. en“, sagte sie der Funke-Mediengruppe. Sie habe Ende August „von den Aktivitäten im Netz“erfahren. Noch am selben Tag habe sie die Hochschule gebeten, die Dissertation „durch eine fachkundige und neutrale Ombudsstelle überprüfen zu lassen“. Über die Vorwürfe hatte zuerst „Spiegel Online“berichtet.
Trotzdem haben die Vorwürfe das Potenzial, an ihrem Image zu kratzen. Die 56-Jährige gilt als extrem diszipliniert und ehrgeizig. Bei Fehlverhalten ihrer Untergebenen greift sie rigoros durch. Das bekamen beispielsweise ihre für Rüstung zuständigen Spitzenbeamten Stéphane Beemelmans und Detlef Seelhausen im Verteidigungsministerium zu spüren. Sie mussten kurz nach dem Amtsantritt von der Leyens ihre Posten räumen, weil sie den Ansprüchen ihrer Chefin nicht gerecht wurden. Sollte die Medizinische Hochschule Hannover ein Fehlverhalten von der Leyens feststellen, würde das ganz und gar nicht in das Bild der stets korrekten Oberbefehlshaberin der Bundeswehr passen.