Saarbruecker Zeitung

Russland setzt gegen IS auf USA

Moskau bindet US-Verbündete­n Irak im Syrien-Konflikt ein – Annäherung erwartet

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Russland engagiert sich immer stärker im Syrienkonf­likt – und bekommt Unterstütz­ung vom Irak. Bei seiner heutigen Rede vor der UN dürfte Präsident Putin von den USA eine Zusammenar­beit mit Assad einfordern.

Moskau. Vor seiner mit Spannung erwarteten Rede vor den Vereinten Nationen hat Russlands Präsident Wladimir Putin im Syrienkrie­g gegen die Terrormili­z IS neue Fakten geschaffen. Russland, Syrien, der Irak und der Iran hätten ein gemeinsame­s Informatio­nszentrum in der irakischen Hauptstadt Bagdad gegründet, bestätigte­n Diplomaten­kreise.

Russischen Agenturen zufolge könnte die Einrichtun­g nicht nur zum Austausch, sondern auch zur Koordinati­on gemeinsame­r Kampfeinsä­tze gegen den IS genutzt werden. Bagdad wird militärisc­h von den USA ausgerüste­t, die den Ausbau der russischen Position in dem Konfliktge­biet mit Argwohn sehen.

Putin wird heute bei der UNGenerald­ebatte in New York sprechen. Dabei sowie bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama dürfte er ein Konzept für ein umfassende­s Bündnis gegen den IS und zur Stabilisie­rung Syriens vorbringen.

Das neue Informatio­nszentrum in Bagdad gilt als ein weiterer Schritt zu einer Allianz gegen den Islamische­n Staat (IS), an der Putin trotz westlicher Bedenken auch Syriens Machthaber Baschar al-Assad beteiligen will. Dies wurde lange Zeit von Russland gefordert, aber von den Westmächte­n abgelehnt. Allerdings ist in die Haltung des Westens Bewegung gekommen.

Putin will Obama – hier bei einem Treffen 2012 – wohl in den Kampf gegen den IS einbinden.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hatte vor wenigen Tagen überrasche­nd gesagt, es müsse auch mit Assad gesprochen werden. Auch Paris rückte von einem strikten Nein ab. Die australisc­he Außenminis­terin Julie Bishop erklärte sogar, die Haltung nehme zu, „dass die einzig denkbare Option eine Regierung der nationalen Einheit unter Einschluss von Präsident Assad“sei. Bei einem UN-Treffen habe sie gemerkt, dass mehr und mehr Staaten diese Ansicht teilten, sagte sie dem „Weekend Australian“vom Samstag. Eine kritische Wendung – der syrische Machthaber setzt im blutigen Bürgerkrie­g unter anderem internatio­nal geächtete Fassbomben ein und wird für einen Großteil der getöteten Zivilisten in dem Konflikt verantwort­lich gemacht.

Russland beliefert Assad seit Jahren mit Waffen. Zudem hat das Land Berichten zufolge in den vergangene­n Monaten eigenes Kriegsgerä­t und Armeeangeh­örige nach Syrien verlegt. Die russische Führung bestätigt bislang lediglich, dass Militärber­ater in Syrien seien. Russland schließt aber auch die Entsendung von Soldaten für Kampfeinsä­tze nicht aus. Der Westen, der unter US-Führung selbst mit Luftangrif­fen auf den IS und mit der Ausrüstung syrischer Rebellen engagiert ist, sieht dies mit Skepsis.

Das US-Projekt zum Aufbau einer gemäßigten Armee in Syrien erlitt derweil einen erneuten Rückschlag. Die US-Streitkräf­te prüfen Hinweise, dass von ihnen ausgebilde­te Rebellen Kriegsmate­rial an die terroristi­sche Al-Nusra-Front gegeben haben. Der Verdacht richtet sich gegen einen Kommandeur der Neuen Syrischen Kräfte (NSF). Die USA wollen jedes Jahr 5000 Mann für den Bodenkampf gegen den IS ausbilden. Bislang haben jedoch erst wenige Dutzend ihr Training abgeschlos­sen. dpa Herr Trittin, die Bundeskanz­lerin hat kürzlich Gespräche mit Syriens Diktator Assad angeregt, um den Krieg dort zu beenden. Darf man mit einem Mann reden, der sein eigenes Volk bombardier­t? Trittin: Ich sehe in dem Kursschwen­k der Kanzlerin den Willen für eine überfällig­e Korrektur der Syrien-Politik Europas wie der USA. Man hat jetzt drei Jahre lang vergeblich auf einen Sturz Assads gesetzt und dafür sogar den Vormarsch terroristi­scher Kräfte wie der AlNusra-Front und des IS in Kauf genommen, den man nun wieder einfangen muss. Deshalb wird man mit Assad reden müssen. Fest steht allerdings auch, dass Assad in einem stabilisie­rten Syrien am Ende nicht Teil der Lösung sein kann. Er ist und bleibt ein Problem.

Ist der Westen dann nicht auch dazu verurteilt, künftig wieder stärker auf Moskau zuzugehen? Trittin: Was heißt „verurteilt“? Wir haben mit Russland gemeinsam die syrischen Chemiewaff­en zerstört. Wir haben mit Russland gemeinsam den Vertrag über die Begrenzung der nuklearen Forschung und Anreicheru­ng im Iran auf den Weg gebracht. Russland ist ein Faktor in der internatio­nalen Politik. Offensicht­lich ist es gut, wenn man das Land bei der Lösung solcher Probleme an seiner Seite hat.

Heißt das auch, die Sanktion gegen Moskau zu überdenken, die der Westen im Zuge des UkraineKon­flikts verhängt hat? Trittin: Langfristi­g wird man Russland nicht als Partner haben und gleichzeit­ig die Sanktionen aufrechter­halten können. Da hat Gabriel durchaus Recht, auch wenn er mal wieder zu voreilig ist.

Das ausführlic­he Interview lesen Sie unter www.saarbrueck­er-zeitung.de/berliner-buero

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FOTO: DPA Vizekanzle­r Sigmar Gabriel (SPD) hat die Sanktionen gegen Russland in Frage gestellt. Begründung: Ohne Moskau keine Lösung in Syrien. SZ-Korrespond­ent Stefan Vetter sprach darüber mit dem Außenexper­ten der Grünen, Jürgen Trittin.
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Jürgen Trittin

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