Der Schlüssel zu den großen Sälen
Chopin-Preisträgerin Yulianna Avdeeva gastiert am 4. und 5. Oktober in Saarbrücken
München/Saarbrücken. Mit dem Gewinn des Chopin-Preises 2010 in Warschau hat sich die Russin Yulianna Avdeeva quasi selbst die Krone der Pianisten aufs Haupt gesetzt; der Warschauer Wettbewerb gilt als einer der wichtigsten Preise für Pianisten überhaupt. Am 4. und 5. Oktober ist Avdeeva beim 1. Sinfoniekonzert des Saarländischen Staatsorchesters in Saarbrücken zu Gast. SZRedakteur Oliver Schwambach sprach mit der 30-jährigen Wahl-Münchnerin.
Sie haben vor fünf Jahren den Chopin-Wettbewerb gewonnen. Es heißt, Sie hätten sich zwei Jahre lang darauf vorbereitet. Dass eine Pianistin übt und übt und übt, ist selbstverständlich. Sie aber haben sich auch sehr intensiv mit dem Menschen Chopin befasst. Avdeeva: Ja, das war für mich insgesamt eine sehr spannende Zeit; ehrlich gesagt hat es doch etwas weniger lang gedauert, man arbeitet ja gleichzeitig auch an anderen Werken. Aber diese Auseinandersetzung mit dem Leben Chopins, mit der Zeit, in der er lebte, waren sehr hilfreich für mich, um ein Bild von ihm zu bekommen. Für mich war es wie ein Eintauchen in diese Welt.
Hat sich durch dieses Wissen Ihre Sicht auf Chopins Werke verändert? Avdeeva: Bestimmt, man entwickelt gewissermaßen eine eigene Sprache, wenn man sich so intensiv auf einen Komponisten einlässt.
Sie experimentieren auch mit historischen Instrumenten, haben eine Chopin-CD noch mit Frans Brüggen eingespielt. Avdeeva: Das war für mich ein einmaliges Erlebnis, diese Inspiration, diese Leidenschaft, die Maestro Brüggen für diese Musik hat und wie er sie vermittelt, war etwas Außergewöhnliches.
Viele Ihrer Pianisten-Kollegen sind eher auf Distanz zur historischen Aufführungspraxis. Sie spielen normalerweise ja auch einen Steinway. Was hat Ihnen die Arbeit mit dem historischen Instrument gebracht, einem Flügel von Érard, dem wohl wichtigsten Klavierbauer des 19. Jahrhunderts? Avdeeva: Ich spiele nicht sehr oft auf historischen Instrumenten, der moderne Flügel ist für mich einfach der König der Instrumente. Aber was mich an dem historischen Instrument gereizt hat, war, den Klang zu hören, den auch Chopin hörte, als er seine Werke komponierte. Grundsätzlich sind die Möglichkeiten der historischen Instrumente begrenzter, der Klang ist kürzer, aber er hat mehr Farben, weil es mehr Obertöne gibt. Für mich wurde so auch klarer, was Chopin mit manchen Notierungen gemeint hat. Manchmal gibt es bei ihm sehr lange Pedale; drückt man auf einem modernen Instrument das Pedal voll, klingt das sehr verschwommen. Auf dem historischen Flügel klingt das anders. Und mit diesem Wissen kann man auch auf dem modernen Instrument nach einem ähnlichen Klang suchen.
Der Chopin-Wettbewerb gilt als der Karrierekick – Maurizio Pollini, Martha Argerich, Krystian Zimerman und Rafal Blechacz haben ihn beispielsweise gewonnen. Hat sich das auch für Sie bewahrheitet? Avdeeva: Auf jeden Fall war es ein Schlüssel, der viele Türen zu großen Konzertsälen öffnete. Ich habe die Möglichkeit, mit fantastischen Orchestern zu arbeiten.
In Saarbrücken werden Sie Rachmaninows Rhapsodie über ein Thema Paganinis spielen, zum Teil mit enormen technischen Herausforderungen. Hat selbst eine Spitzenpianistin wie Sie vor so einem Werk noch Respekt? Avdeeva: Sobald man sich ans Klavier setzt, muss man respektvoll dem Komponisten und dem Werk gegenüber sein. Natürlich ist es bei Rachmaninow besonders schwer, weil es seine eigenen Aufnahmen gibt, die einfach die Referenz sind. Aber man muss den Mut haben, selbst etwas zu finden in dieser Musik.
Konzerte: 4. Oktober, 11 Uhr, und 5. Oktober, 20 Uhr, in der Saarbrücker Congresshalle mit dem Saarländischen Staatsorchester unter Nicholas Milton. Karten im Vorverkauf unter Tel. (06 81) 3 09 24 86.