Saarbruecker Zeitung

Suche nach Haus mit Ersatzfami­lie

Senioren wollen heute anders wohnen, und zwar am liebsten in der Stadt

- Von SZ-Redakteur Peter Wagner

Das Haus auf dem Land verkaufen und mit dem Geld in die Stadt ziehen – hört sich gut an, scheitert aber oft am Markt und am Geld. Eine Diskussion über „alternativ­e Wohnformen und soziales Miteinande­r im Alter“im Rathaus brachte interessan­te Erkenntnis­se.

Saarbrücke­n. Früher, so erinnerte sich Lothar Arnold, der Vorsitzend­e des Saarbrücke­r Seniorenbe­irates, hätten die Leute die Häuser so groß gebaut, wie es nur ging; niemand habe sich Gedanken gemacht, wie er die Immobilie im Alter in Schuss halten könnte. Im Hinterkopf hatte man die Kinder – aber die wohnen heute, weil der Beruf es so erfordert, glücklich in München und Frankfurt und wollen sich das renovierun­gsbedürfti­ge Elternhaus nicht ans Bein hängen. Also verkaufen. „Denkste!“, kam ein Einwand aus dem Publikum. Das auf 300 000 Euro taxierte schöne Gebäude, leider ländlich gelegen (schon fünf Kilometer außerhalb der City kann „Land“sein) erziele allenfalls die Hälfte davon. Der Umzug in eine kleine Eigentumsw­ohnung in der Stadt, wo der Senior alles zu Fuß erreicht, heutzutage ein Wunsch vieler Menschen der Generation 60 plus, ist finanziell nicht machbar. Ganz zu schweigen davon, dass diese Stadtwohnu­ngen neuen Typs noch rar sind.

Die PSD Bank Rhein-NeckarSaar kam da mit ihrer Podiumsdis­kussion über „Alternativ­e Wohnformen und soziales Miteinande­r im Alter“am vergangene­n Freitagabe­nd im Rathaus St. Johann gerade recht.

Theo Klapheck vom Verein Galia (Gemeinsam aktiv leben im Alter) schwärmte von dem gemeinscha­ftlichen Wohnprojek­t in Malstatt. Singles und Paare, meist über 50, wohnen in jeweils eigenen Wohnungen eines Mehrfamili­enhauses selbstbest­immt, teilen sich aber Gemeinscha­ftsräume. „Wir regen uns unwahrsche­inlich an und staunen selbst oft, wie gut das hinhaut.“Diese quasi „Rekonstruk­tion der früheren Großfamili­e“, so die leitende SZ-Redakteuri­n und Moderatori­n Ilka Desgranges, lässt sich allerdings nicht mal so eben und auch nicht für jeden Geldbeutel erzielen. Es ist im Einzelfall auch nicht ganz leicht, jüngere Mitbewohne­r zu gewinnen, damit die Gemeinscha­ften lebendig bleiben.

Die Saarbrücke­r Baudezerne­ntin Rena Wandel-Hoefer und Rita Gindorf-Wagner, Geschäftsf­ührerin der WOGE Saar/Wohnungsge­sellschaft Saarland, sprachen dem Wohnen erste Priorität für die Zukunftsfä­higkeit der Stadt zu. Wobei die Kniffligke­it der Aufgabe darin liege, den Bestand klug, aber auch bezahlbar an neue Bedürfniss­e anzupassen.

Zu dem Thema gehören nach Überzeugun­g der Baudezerne­ntin auch Freiräume ohne Autos, Nahversorg­ung und gute Busanbindu­ngen. Wenn der Nahverkehr lückenlos fahre, dann sei das Wohnen auch ab-

Podiumsdis­kussion mit Jürgen Wunn, Rita Gindorf-Wagner, Birgit Quien, Wolfgang Langguth, Ilka Desgranges, Lothar Arnold, Rena Wandel-Hoefer und Theo Klapheck (von links).

seits der Zentren attraktiv, so Wandel-Hoefer.

Prof. Wolfgang Langguth, dessen Netzwerk AAL als Anlaufstel­le bei allen Fragen rund um das Thema „generation­sgerechtes und selbstbest­immtes Leben“gilt, hielt ein Plädoyer für technische Lösungen, mit denen Senioren länger in vertrauter Umgebung leben können. Wie sich zeigte, haben viele Menschen aber Unbehagen an „Überwachun­g“oder „Entmündigu­ng“. Langguth hat aber den Ehrgeiz, die Vorzüge klarzumach­en. Birgit Quien, Präsidenti­n der „denkwerkst­adt Saarbrücke­n“, mahnte dringend an, bei Planungen stets Generation­envielfalt und frühe Beteiligun­g der Bewohner anzustrebe­n. Der so genannte „demographi­sche Wandel“sollte besser „demographi­sche Verantwort­ung“heißen.

Den schwersten Part hatte Jürgen Wunn, der Vorstandsv­orsitzende der PSD Bank. Denn immer wenn es um die Finanzieru­ng innovative­r Projekte abseits des klassische­n Einfamilie­nhauses ging, schauten alle fragend zu ihm.

Wunn gestand ein, dass es noch keine Modelle gebe, um etwa den Preisverfa­ll der Häuser auf dem Land aufzufange­n und den betroffene­n Senioren einen sorgenfrei­en Alterssitz in der Stadt zu finanziere­n – womöglich ein genossensc­haftliches Modell? So oder so, man arbeite daran.

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