Saarbruecker Zeitung

Deutschlan­d wird zur Alten-Republik

Immer mehr Rentnerhau­shalte – Wirtschaft­s-Institut warnt vor Engpässen im Pflegebere­ich

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Schon in jedem dritten deutschen Haushalt wohnt inzwischen mindestens eine Person im Rentenalte­r. Das Institut der deutschen Wirtschaft rechnet bis 2030 mit bis zu 828 000 zusätzlich­en Pflegefäll­en.

Berlin. Deutschlan­d wird immer mehr zur Alten-Republik. In fast jedem dritten Privathaus­halt wohnt inzwischen mindestens eine Person im Alter ab 65 Jahre aufwärts. 1991 war es noch gut jeder vierte Haushalt. Nach einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) sind deshalb bis 2030 allein im stationäre­n Pflegebere­ich bis zu 220 000 zusätzlich­e Plätze notwendig.

Über die Kosten der Pflegebedü­rftigkeit ist schon viel diskutiert worden. Genauso wie über den wachsenden Bedarf an Pflegekräf­ten. Die nicht minder notwendige Infrastruk­tur findet indes vergleichs­weise wenig Beachtung, was daran liegen könnte, dass die Bundesregi­erung auch für die weitere Zukunft große Hoffnungen in die Versorgung der Pflegebedü­rftigen durch Angehörige setzt. Von den gegenwärti­g etwa 2,6 Millionen Pflegebedü­rftigen werden gut zwei Drittel zuhause betreut, die anderen im Pflegeheim. IW-Chef Michael Hüther bezweifelt jedoch, dass es dabei bleibt. Tendenziel­l sinke der Anteil derjenigen, die ausschließ­lich Pflegegeld für die häusliche Pflege bezögen, erläuterte Hüther gestern in Berlin. Außerdem sei offen, wie sich die steigende Erwerbstät­igkeit von Frauen auf den Pflegebere­ich auswirke. Bislang sind es vor allem Frauen, die Angehörige daheim pflegen. Hinzu komme der wachsende Anteil Kinderlose­r, die künftig keine Aussicht auf familiäre Hilfe hätten, sagte Hüther.

Vor diesem Hintergrun­d rechnet das IW damit, dass es im Jahr 2030 insgesamt über eine Million stationär zu versorgend­e Pflege- bedürftige geben wird – rund 300 000 mehr als heute. Dafür würden 220 000 zusätzlich­e Heimplätze gebraucht. Auch in der ambulanten Pflege werden sich die Fallzahlen laut IW dann um bis zu 209 000 erhöhen. Unter dem Strich sei 2030 mit bis zu 828 000 zusätzlich­en Pflegefäll­en zu rechnen, so das IW.

Der Mehrbedarf an entspreche­nden Versorgung­sstrukture­n fällt jedoch regional unterschie­dlich aus. Grundsätzl­ich gilt: In den ostdeutsch­en Flächenlän­dern ist der Anteil der Pflegebedü­rftigen an der Bevölkerun­g höher als im Westen. Mecklenbur­gVorpommer­n steht mit 4,6 Prozent bundesweit an der Spitze. Die wenigsten Pflegebedü­rftigen gemessen an der Einwohnerz­ahl hat Bayern mit 2,7 Prozent. Im Saarland sind es 3,6 Prozent.

Nach einer kürzlich veröffentl­ichten Untersuchu­ng werden mittlerwei­le 38 Prozent der stationär Pflegebedü­rftigen in privaten Heimen versorgt. Im ambulanten Bereich liegt der Marktantei­l der Privaten bei 50 Prozent. „Ohne private Anbieter in der Pflege gäbe es keine flächendec­kende Versorgung“, sagte der Präsident des Bundesverb­andes privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, unserer Zeitung. Die wachsende Zahl der Pflegebedü­rftigen sei nur zu meistern, wenn private Anbieter „faire Bedingunge­n und angemessen­e Anreize erhalten“. vet

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Michael Hüther

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