Vier Mal Doris auf der Suche nach dem Glamour
,,Das kunstseidene Mädchen” im Theater Überzwerg
Der Jugendclub des Saarbrücker Theaters Überzwerg hat den Erfolgsroman „Das kunstseidene Mädchen“von Irmgard Keun aus dem Jahr 1932 auf die Bühne gebracht. Es geht um eine junge Frau, die von einem besseren Leben träumt.
Saarbrücken. „Ein Glanz“werden will Doris, mit Auto, duftendem Badewasser und „alles wie Paris“. Sie geht nach Berlin. Nichts besitzt sie außer einem unbedingten Willen und viel Raffinesse in Bezug auf Männer. Bob Ziegenbalg, künstlerischer Leiter des Theaters Überzwerg, hat Irmgard Keuns „Das kunstseidene Mädchen“, das 1931/32 am Vorabend des Zweiten Weltkrieges spielt und später als „Asphaltliteratur“von den Nazis verboten wurde, für den Jugendclub inszeniert (Bühnenfassung: Gottfried Greiffenhagen).
Auf einer Bühne aus Pappkisten mit einem gesplitteten, an weibliche Ersatzteile gemahnenden Frauenbild Picassos (Ausstattung: Jasmin Ka- erge), werden aus Doris Vier. Franziska Blickle, Ariana Emminghaus, Alena Pelotte und Noemi Spano spielen Facetten ihrer Persönlichkeit und Stationen ihres Lebens. Doris hat viele Gesichter, sie will nicht länger Sekretärin sein, hängt sich das Leben um, wie den Pelzmantel, den sie gestohlen hat. Was nicht sitzt, wird sich passend gedacht und die Männer erträglich gelogen, schließlich braucht man sie. Die burschikose, gewitzte Doris schillert bei Alena Pelotte auf, wenn sie über kolossale Kerle philosophiert. Sie kann aber genauso anrührend wirken, wenn sie nachts ohne Geld und hungrig durch die große Stadt irrt und überlegt, sich wenigstens einmal ansprechen zu lassen für zehn Mark. Ariana Emminghaus im engen roten Kleid gibt die saloppe, gelöste Doris, die nun „Statisterie“am Theater ist und sich mit einem fiesen Trick gar einen Satz erobert hat. Franziska Blickle liebkost fast verzweifelt den gestohlenen Pelz, den sie braucht und der sie brauche. Noemi Spano erzählt dem blinden Herrn Brenner als selbstlos mitfühlende Doris ihr Berlin und streift sich dabei Schmuck über. Doris ist ganz Oberfläche, durchleuchtet nichts so folgerichtig, wie das Funktionieren der Männer, testet Posen und Blicke im Spiegel. Ihre geradlinige Energie, ihren Frust, ihre Not, ihre sture Beharrlichkeit und hintergründige Verletzlichkeit verkörpern die vier jungen Schauspielerinnen hervorragend.
Das Berlin der Vorkriegszeit gibt es nicht mehr. Und diesen Typ Mädchen? „Ja doch“, meint Ziegenbalg, „ich glaube nicht, dass sich da viel geändert hat. Man nehme nur Facebook, wie da junge Frauen ihre Wirkung testen.“Die Schauspielerinnen, zwischen 17 und 19 Jahren alt, sähen das genauso. Keuns flapsige, komische, oft grammatisch falsche Sprache, die von vorgeblicher Naivität lebt, habe ihnen besonders gefallen. Der Schluss wirkt positiver als bei Keun, der Fokus liegt hier sehr auf der Liebe. Dabei erzählt Keun die Geschichte einer Stagnation, deren politischer Gehalt in dieser einstündigen Fassung wenig zum Tragen kommt.
Karten: www.ueberzwerg.de