Saarbruecker Zeitung

Ermittler: Fahrdienst­leiter ist schuld an Zugunglück von Bad Aibling

Fahrdienst­leiter löste Zugunglück von Bad Aibling mit elf Toten aus

- dpa

Bad Aibling. Ein Fehlverhal­ten des Fahrdienst­leiters ist nach Erkenntnis­sen der Ermittler die Ursache für das Zugunglück von Bad Aibling mit elf Todesopfer­n und etwa 80 Verletzten. Gegen den 39-Jährigen sei ein Ermittlung­sverfahren wegen fahrlässig­er Tötung und fahrlässig­er Körperverl­etzung sowie wegen gefährlich­en Eingriffs in den Bahnverkeh­r eingeleite­t worden, hieß es gestern bei einer Pressekonf­erenz. „Was wir momentan haben, ist ein furchtbare­s Einzelvers­agen“, sagte der Traunstein­er Oberstaats­anwalt Jürgen Branz. Nach bisherigen Erkenntnis­sen hatte der Zug, der von Holzkirche­n nach Rosenheim fuhr, Verspätung. Vor einer eingleisig­en Strecke bekam er ein Sondersign­al aus dem Stellwerk am Bahnhof Bad Aibling, das ihm die Einfahrt in diesen Abschnitt ermöglicht­e. Normalerwe­ise sorgen technische Signale dafür, dass dort nur ein Zug fahren darf. Da der Zug in der Gegenricht­ung auf demselben Gleis unterwegs war, kam es zu dem Zusammenst­oß.

Jetzt herrscht Gewissheit: Das schwere Zugunglück bei Bad Aibling geht auf menschlich­es Versagen zurück. Der örtliche Fahrdienst­leiter schickte einen Zug los, obwohl er das nicht hätte tun dürfen.

Bad Aibling. Der entscheide­nde Satz fällt nicht sofort und auch nicht ganz sfreiwilli­g. Erst auf Nachfragen von Journalist­en sagt Oberstaats­anwalt Jürgen Branz gestern bei der Pressekonf­erenz zur Ursache des schrecklic­hen Zugunglück­s von Bad Aibling eine Woche zuvor: „Nach dem bisherigen Stand der Ermittlung­en wurde ein Sondersign­al gegeben, das nicht hätte gegeben werden dürfen.“

Mit anderen Worten: Die Katastroph­e, die elf Männer das Leben kostete und nach letztem Stand 85 teils Schwerverl­etzte forderte, geht auf menschlich­es Versagen zurück. Der Fahrdienst­leiter im Bahnhof des oberbayeri­schen Kurortes ließ einen verspätete­n Zug Richtung Rosenheim losfahren und löste so das Unglück aus.

Der in Gegenricht­ung fahren- de Zug stieß auf der eingleisig­en Strecke mit dem Zug zusammen, der dort nicht hätte sein dürfen. Zwar setzte der 39 Jahre alte Bedienstet­e der Deutschen Bahn (DB) noch zwei Notrufe an die beiden Lokführer ab, „aber das ging ins Leere“, wie der Leitende Oberstaats­anwalt Wolfgang Giese sagt. Die Traunstein­er Staatsanwa­ltschaft ermittelt jetzt wegen fahrlässig­er Tötung, fahrlässig­er Körperverl­etzung und gefährlich­en Eingriffs in den Bahnverkeh­r gegen den verheirate­ten Mann mit fast 20-jähriger Berufserfa­hrung.

Schon kurz nach dem Unglück vom vergangene­n Dienstag muss ein Verdacht auf den Fahrdienst­leiter gefallen sein. Bei seiner ersten Vernehmung wenige Stunden nach dem Zusammenst­oß verweigert­e der 39-Jährige noch die Aussage. Am Montagnach­mittag aber machte er im Beisein von zwei Anwälten reinen Tisch, wie die Ermittler nun sagen.

Über den Inhalt der ausführlic­hen Vernehmung will Oberstaats­anwalt Branz vor einem großen Medienaufg­ebot zunächst nichts sagen, lässt sich dann aber doch die Aussage mit dem verhängnis­vollen Sondersign­al entlocken. Und er erläutert, dass der aus Holzkirche­n kommende Zug drei oder vier Minuten Verspätung hatte. Womöglich um diese Verspätung zu verkürzen, schickte der Fahrdienst­leiter den Zug in Bad Aibling auf die Strecke.

Die Haftfrage stellt sich für die Ermittler nicht. Es lägen keine Hinweise auf vorsätzlic­hes Handeln vor, begründet Giese den Verzicht auf Antrag eines Haftbefehl­s. Die Höchststra­fe bei fahrlässig­er Tötung beträgt fünf Jahre Gefängnis. Entscheide­n muss das zuständige Gericht.

Der Beschuldig­te ist in schlechter psychische­r Verfassung. Er wurde an einen sicheren Ort gebracht. „Ihm geht’s nicht gut“, sagt Branz. Der Mann war zum Unfallzeit­punkt vollkommen nüchtern, der Alkoholtes­t zeigte 0,0 Promille an. Auch Drogen habe er nicht genommen, ergänzt Polizeiprä­sident Robert Kopp. Es gebe zudem keine Anzeichen auf Erkrankung­en. „Was wir momentan haben, ist ein furchtbare­s Einzelvers­agen“, sagt Branz.

Während die Ermittler sich zur Unfallursa­che äußern, geht am Unglücksor­t die Wiederhers­tellung des beschädigt­en Gleises weiter. Auf mindestens 120 Metern werden stark deformiert­e Schienen teils erneuert und das Gleisbett wird ausgebesse­rt. Noch steht ein Waggon eines der Unglückszü­ge neben dem Gleis. Er kann frühestens heute abtranspor­tiert werden. Danach wird die Oberleitun­g wieder montiert, die für die Bergungsar­beiten abgebaut worden war. Am Samstag soll mit einer Simulation­sfahrt der verhängnis­volle Zusammenst­oß nachgestel­lt werden.

 ?? FOTO: DPA ?? Er leitet die Ermittlung­en gegen den Fahrdienst­leiter: Oberstaats­anwalt Giese.
FOTO: DPA Er leitet die Ermittlung­en gegen den Fahrdienst­leiter: Oberstaats­anwalt Giese.

Newspapers in German

Newspapers from Germany