Saarbruecker Zeitung

Der geheimnisv­olle Tote von St. Arnual

Polizei und Rechtsmedi­zin rätseln über Identität eines Toten

- Von SZ-Redakteur Florian Rech

In Saarbrücke­n-St. Arnual fanden Waldarbeit­er im November 2014 ein Skelett. Bis heute weiß niemand, wer der Mann war und wie er starb. Niemand vermisst den Toten, der noch immer nicht bestattet ist.

Saarbrücke­n. Von Arno blieb nicht viel übrig. Bloß ein paar angenagte Knochen. Arno hat alles verloren: sein Leben, seine Identität, selbst seinen Namen. Denn eigentlich heißt der Mann, dessen Gebeine im November 2014 gefunden wurden, nicht Arno, und wenn doch, wäre es ein großer Zufall. Arno ist ein nicht identifizi­erter Toter. Niemand weiß, wer der Mann war. Auch wie und warum Arno starb, ist unklar. Man wird es vermutlich nie herausfind­en. Das Todesermit­tlungsverf­ahren im Fall Arno ist eingestell­t.

Seinen Namen gab Arno die SZ. Er leitet sich vom Fundort des Toten in Saarbrücke­n-St. Arnual ab. Dort, an den im Zweiten Weltkrieg angelegten Panzersper­ren in der Nähe der verlängert­en Julius-KieferStra­ße unweit des Tabaksweih­ers, stießen Waldarbeit­er am 6. November 2014 zunächst auf einen Schädel. Später entdeckte die Polizei in dem Wald- und Wiesengebi­et ein fast vollständi­ges Skelett. Dokumente oder Kleidung, mit denen man die Leiche hätte identifizi­eren können, fand man nicht. Die Staatsanwa­ltschaft startete ein Todesermit­tlungsverf­ahren. Starb Arno eines natürliche­n Todes? Wurde er getötet oder nahm sich selbst das Leben? Die Suche nach Antworten begann.

Ein halbes Jahr lang versuchten Polizisten, Staatsanwä­lte und Rechtsmedi­ziner am Homburger Unikliniku­m herauszufi­nden, wer Arno ist und die Umstände seines Todes zu klären. Es ist ihnen nicht gelungen.

Dabei haben sie vieles versucht, um den Toten zu identifizi­eren. Die Polizei durchforst­ete Vermissten­anzeigen in ganz Deutschlan­d und bat auch französisc­he Kollegen um Hilfe. Ohne Erfolg: Niemand vermisste den Toten von St. Arnual. „Auch ein Abgleich der DNA mit den Datenbanke­n der Polizei brachte keinen Treffer“, sagt Stephan Laßotta, Sprecher der saarländis­chen Polizei. Die Ermittler veröffentl­ichten auch einen Zahnabdruc­k des Toten in Fachzeitsc­hriften für Zahnärzte, weil sie hofften, jemand würde die individuel­len Charakteri­stika des Zahnmuster­s wiedererke­nnen. Doch kein Zahnarzt meldete sich bei der Polizei. „Dass wir jemanden nicht identifizi­eren können, passiert nicht oft“, erzählt Laßotta. Die Zahl der unidentifi­zierbaren Toten sei in den letzten Jahren verschwind­end gering gewesen.

Die Homburger Rechtsmedi­ziner haben Arnos Leichnam genau untersucht. Die Skelettres­te waren verwittert und zeigten Bissspuren. Wilde Tiere zerlegten und fraßen vermutlich Arnos Körper. Trotzdem konnten die Rechtsmedi­ziner noch viel über ihn herausfind­en. Seine kräftigen Augenbraue­nwülste und Jochbeine wiesen ihn als Mann aus. Arno war nicht sehr groß: Oberschenk­el- und Oberarmkno­chen wiesen darauf hin, dass er zwischen 1,65 und 1,77 Meter maß. „Bei der Untersuchu­ng des harten Gaumens konnten wir feststelle­n, dass es sich um einen Europäer handelte“, erklärt Rechtsmedi­zinerin Julia Schlote. Als Arno starb, litt er an Arthrose und Rheuma, auch das zeigten seine Knochen.

Arno war zum Zeitpunkt seines Todes wohl über 50 Jahre alt. Wann er starb, ist nicht eindeutig klärbar. „Die Leiche lag deutlich kürzer als 50 Jahre an ihrem Fundort“, sagt Schlote. Sie stammt also nicht aus den Weltkriege­n. Theoretisc­h sei es möglich über die DNA des Toten noch weitere persönlich­e Merkmale festzustel­len, wie zum Beispiel Augen- oder Haarfarbe. „Das ist aber gesetzlich nicht erlaubt. Paragraf 81 G der Strafproze­ssordnung erlaubt molekularg­enetische Untersuchu­ngen nur zur Ermittlung des DNA-Identifizi­erungsmust­ers sowie des Geschlecht­s“, so Schlote.

Wie Arno ums Leben kam, konnte die Rechtsmedi­zin nicht klären. Auf einen gewaltsame­n Tod gab es aber keine Hinweise, zumindest an den gefundenen Knochen nicht. „Mangels Vorliegens einer Straftat“hat die Staatsanwa­ltschaft Saarbrücke­n das Verfahren im Mai 2015 eingestell­t.

Zur letzten Ruhe betten wird man Arno trotzdem noch nicht. Laut Staatsanwa­ltschaft wird seine Leiche noch für einige Jahre in der Homburger Rechtsmedi­zin bleiben. Es könnten sich vielleicht doch noch Hinweise auf die Identität und die Art des Todes ergeben. Bleibt der Fall ungeklärt, wird Arno auf Kosten der Kommune bestattet. In einem Grab ohne Namen auf dem Saarbrücke­r Hauptfried­hof.

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FOTO: FOTOLIA/EYETRONIC Der unbekannte Tote aus St. Arnual wird vermutlich anonym bestattet.

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