Saarbruecker Zeitung

Schwierig – aber ein Freund

Die Syrien-Krise schärft auch in Berlin den Blick für die Lage Israels

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Eitel Sonnensche­in im deutsch-israelisch­en Verhältnis? Wer gestern den Besuch des halben Jerusaleme­r Kabinetts bei den Kolleginne­n und Kollegen in Berlin verfolgte, konnte diesen Eindruck gewinnen. Konflikte etwa um den Siedlungsb­au oder den Iran wurden zwar angesproch­en, aber nur intern. Der Krieg in Syrien, der Terror der Islamisten und der dadurch ausgelöste Flüchtling­sstrom haben vor allem auf deutscher Seite die Betrachtun­gsweise Israels geändert. Es wird nun wieder viel deutlicher als bisher wahrgenomm­en, dass dies das einzig demokratis­che Land in der Region ist. Und auch das einzig stabile Land. Israel ist ein regelrecht­er Anker von Freiheit, von Menschlich­keit und von Kultur.

Wenn Russland, die Türkei, Saudi-Arabien und der Iran in der Region Großmachts­piele spielen und die Lage chaotisier­en, ist wahrlich nicht die richtige Zeit, um auch noch unter Demokraten aneinander herumzumäk­eln. Der Westen, auch Deutschlan­d, kann froh sein, dass Israel nicht ebenfalls mitmischt auf dem syrischen Schlachtfe­ld und alles noch mehr verkompliz­iert. Israel mag ein Partner mit Eigenarten sein und unter Premier Netanjahu auch ein unangenehm­er Partner. Aber es ist ein Partner. Nicht zuletzt bei der Terrorabwe­hr können Deutschlan­d und Europa von Israel und seinen Geheimdien­sten profitiere­n.

Freilich ist die konservati­v-re-

GLOSSE ligiöse Regierung Netanjahu nicht sakrosankt. Sie spaltet das eigene Land sozial und politisch. Die innenpolit­ischen Konflikte allerdings, auch den um den Umgang mit Nichtregie­rungsorgan­isationen, werden die Israelis unter sich klären, sie sind lebendige Demokratie genug. Aber diese Regierung entfernt sich durch den forcierten Siedlungsb­au außenpolit­isch auch immer weiter von der Friedenspe­rspektive einer ZweiStaate­n-Lösung mit den Palästinen­sern. Auch wenn man einräumen muss, dass diese Perspektiv­e wenig realistisc­h ist. Es gibt genug Verrückte und Radikale auf allen Seiten, darunter auch radikale Siedler, die eine solche Lösung immer wieder torpediere­n. Aber das Unrealisti­sche ist in dieser Region das einzig Denkbare. Es gibt keine Alternativ­e zur Zwei-Staaten-Lösung außer einem permanente­n, niederschw­elligen Krieg, der jederzeit explodiere­n kann.

Also muss dieser Weg gewagt werden. Das ist eine Zukunftsfr­age für die israelisch­e Gesellscha­ft, aber auch für den ganzen Nahen Osten, und nicht einmal nur für ihn. Angela Merkel sagte beim Treffen mit Netanjahu, der Flüchtling­sstrom habe gezeigt, wie die Distanzen zusammenge­schmolzen seien. Was dort passiert, erreicht auch uns. Gerade weil das so ist, hat Europa das Recht, Falsches beim Namen zu nennen. Der israelisch­e Siedlungsb­au auf Palästinen­sergebiet gehört ganz gewiss dazu.

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Kolhoff
Von Werner Kolhoff

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