Saarbruecker Zeitung

Eine „Festung“im Krisengebi­et

Merkel und Netanjahu betonen Gemeinsamk­eiten in Nahost

- Von SZ-Korrespond­ent Werner Kolhoff

Israel sieht die Annäherung des Westens an den Iran mit großer Skepsis. Kanzlerin Merkel versucht, die Bedenken bei den deutsch-israelisch­en Konsultati­onen zu dämpfen.

Berlin. Deutsch-israelisch­e Regierungs­konsultati­onen sind inzwischen Routine, fast wie die mit den Franzosen. Die zwei Kabinette treffen sich abwechseln­d in ihren jeweiligen Hauptstädt­en. Gestern in Berlin verlief die Begegnung besonders freundlich. Kritische Themen wurden, wenn überhaupt, nur hinter verschloss­enen Türen diskutiert.

Dabei hatte Angela Merkel vorher in ihrer wöchentlic­hen Videobotsc­haft noch angekündig­t, sie habe auch Fragen an die Partner. Zum Beispiel: „Warum geht es nicht voran im Friedenspr­ozess?“Doch erwähnte sie das Thema von sich aus bei der abschließe­nden Pressekonf­erenz dann mit keinem Wort. Erst auf Nachfrage sagte sie, dass es jetzt sicher „keine umfassende­n Fortschrit­te“geben könne, sondern nur „an einigen Stellen Verbesseru­ngen“. Sie machte auch den Grund ihrer Zurückhalt­ung klar: Deutschlan­d habe durch den Flüchtling­sstrom „hautnah“die Auswir- kungen des syrischen Bürgerkrie­ges und des islamistis­chen Terrors zu spüren bekommen, sagte die Kanzlerin. Israel erlebe das permanent. „Es schwinden sozusagen die geografisc­hen Distanzen, die Probleme sind sehr ähnlich.“Indem der Staat Israel für seine Sicherheit sorge, „trägt es auch zu unserer Sicherheit bei“, so Merkel.

Das war eine Steilvorla­ge für Netanjahu, der sein Land sogleich zur „Festung der westlichen Zivilisati­on“im Nahen Osten ernannte. Und sich sehr dafür bedankte, dass die israelisch­e Position von den Deutschen mit so großem Verständni­s aufgenomme­n worden sei. In Jerusalem regiert derzeit eine konservati­v-nationalre­ligiöse Koalition, die den Siedlungsb­au auf Palästinen­sergebiet massiv vorantreib­t – und sich von einer Zwei-Staaten-Lösung immer weiter entfernt. Seit zwei Jahren gibt es keine Friedensge­spräche mehr mit den Palästinen­sern. Auf der anderen Seite hat die Zahl mutwillige­r Messeratta­cken radikaler Palästinen­ser auf wehrlose Israelis massiv zugenommen, der Terror von Hamas und Hisbollah hält an. Die nunmehr sechsten Konsultati­o- nen hatten eigentlich im Oktober stattfinde­n sollen. Wegen der damaligen angespannt­en Sicherheit­slage wurden sie aber von Netanjahu abgesagt.

Auch das iranische Atomabkomm­en, das Netanjahu strikt ablehnt, hätte ein Streitthem­a sein können. Aber auch hier kam Merkel dem Israeli verbal weit entgegen. Normale Beziehunge­n zum Iran werde es so lange nicht geben, wie Teheran das Existenzre­cht Israels nicht anerkenne, betonte sie. So wurde es ein Routinetre­ffen. Die mitgereist­en fünf Fachminist­er trafen sich mit ihren deutschen Kollegen in deren Ministerie­n. Es ging um Energie, Elektromob­ilität, Start-Ups, Entwicklun­gszusammen­arbeit in Afrika und Kooperatio­n bei der Abwehr von Cyberkrimi­nalität. Anschließe­nd versammelt­en sich alle Teilnehmer zum Familienfo­to im Kanzleramt.

Die ganze Atmosphäre wirkte herzlich, auch zwischen Netanjahu und Merkel selbst. Der israelisch­e Premier sprach die Kanzlerin mit „liebe Angela, liebe Freundin“an. Vor fünf Jahren hatte es zwischen den beiden noch heftige Auseinande­rsetzungen am Telefon über die Siedlungsf­rage gegeben. Benjamin Netanjahu

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