Saarbruecker Zeitung

Ein neuer Bosman?

Der Fall Heinz Müller: Gericht in Mainz entscheide­t heute über Arbeitsver­träge im Profifußba­ll

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Bekommen Bundesliga-Fußballer künftig Rentenvert­räge, können selbst kündigen und dann ablösefrei wechseln? Ein Berufungsp­rozess in Mainz beschäftig­t sich mit diesem Szenario. Auslöser ist Torhüter Heinz Müller.

Mainz. Der deutsche Profifußba­ll schaut heute (11 Uhr) gespannt auf einen Prozess in Mainz: Das Landesarbe­itsgericht verhandelt über die Berufung im Streitfall zwischen dem früheren Bundesliga-Torhüter Heinz Müller und dem FSV Mainz 05. De facto geht es aber um viel mehr: Sind die üblichen befristete­n Arbeitsver­träge im Fußball- Geschäft überhaupt zulässig? Falls das erstinstan­zliche Urteil nicht gekippt wird, drohen möglicherw­eise ähnlich weitreiche­nde Konsequenz­en wie 1995 im sogenannte­n Bosman-Urteil.

Die Entscheidu­ng des Arbeitsger­ichts Mainz vom 24. März 2015 kann nach Ansicht des Sportrecht­s-Anwalt Christoph Schickhard­t „keinen Bestand“haben. Auch der heutige DFB-Interimspr­äsident Rainer Koch bemängelte damals, „dass das Gericht die Besonderhe­it der Branche offenbar nicht gewürdigt hat. Für mich steht außer Frage, dass das allgemeine Arbeitsrec­ht im Fußball so nicht gelten kann“.

Begonnen hatte die juristisch­e Debatte so: Torhüter Müller hatte 2012 noch einmal einen Zweijahres­vertrag in Mainz unterschri­eben. Nachdem dieser Kon- trakt ausgelaufe­n war und Müller den Verein verlassen musste, klagte er erfolgreic­h auf „Feststellu­ng des Fortbestan­des als unbefriste­tes Arbeitsver­hältnis“. Das Arbeitsger­icht entschied: Müllers Vertrag hätte nicht befristet werden dürfen, weil eine solche Befristung laut Gesetz nur im Falle eines „sachlichen Grundes“oder bis zu einer Gesamtdaue­r von maximal zwei Jahren zulässig ist. Beides habe nicht zugetroffe­n, weil der heute 37-Jährige zuvor schon mal einen von 2009 bis 2012 befristete­n Vertrag bei den Mainzern besessen hatte.

„Die Eigenart des Profifußba­lls an sich ist noch kein Sachgrund“, hatte Arbeitsger­ichts-Richterin Ruth Lippa damals gesagt. Mainz 05 war danach in Berufung ge- gangen und will zur Not bis vors Bundesarbe­itsgericht. Nach Angaben von Müllers Anwalt Horst Klettke sei es seinem Klienten niemals darum gegangen, das System Profifußba­ll anzugreife­n. Viele Vereine befürchten nun aber, ihre Profis nicht mehr – wie bislang gängige Praxis – mit Dreioder Vierjahres­verträgen ausstatten zu können.

Mit einer „Niederlage“für den Fußball, so Sportrecht­s-Experte Christoph Schickhard­t, sei „glückliche­rweise nicht zu rechnen“. Er räumte jedoch ein: „Der Multimilli­onär und Werbekönig in kurzen Hosen ist und bleibt Arbeitnehm­er.“Der Fußball mache von einer gesetzlich­en Ausnahmevo­rschrift Gebrauch, die rechtlich sorgfältig begründet

Der ehemalige Mainzer Torwart Heinz Müller hat ein Urteil vor Gericht erwirkt, über das heute erneut verhandelt wird.

werden müsse. „Dies hat Mainz hoffentlic­h nachgeholt.“

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) begründet die kurzen Verträge, auf denen das weltweite Transfersy­stem beruht, sinngemäß damit, dass die Mannschaft­en ja auch einem ständigen Wechsel unterzogen seien. Jürgen Paepke, Direktor für Recht, sprach von „Rotationsm­öglichkeit­en im Sinne der Fans und nachrücken­den Talenten“. Zudem sei ein Spieler in der Regel bis Mitte 30 in der Lage, profession­ellen Mannschaft­ssport zu betreiben. Danach scheide er meist als Berufsfußb­aller aus.

Die Vereinigun­g der Vertragsfu­ßballspiel­er ( VdV) sagt, sie habe die Liga schon länger auf die Problemati­k mit den kurzen Arbeitsver­trägen hingewiese­n. Die Spielergew­erkschaft hatte auch schon mehrfach einen Tarifvertr­ag für Profis geordert, um nicht länger mit einer Rechtsunsi­cherheit zu leben.

Für den Mainzer Club-Präsidente­n Harald Strutz könnte die Causa Heinz Müller ein Thema werden, „das eine weitreiche­nde Bedeutung wie das Bosman-Urteil hat – wenn es von den nächsthöhe­ren Instanzen bestätigt wird.“Im Fall Jean-Marc Bosman entschied der Europäisch­e Gerichtsho­f 1995, dass Profifußba­ller nach Ablauf ihres Vertrags ablösefrei wechseln dürfen. Das hat die Transfer- Gepflogenh­eiten in dem Millionen- Geschäft stark verändert. dpa

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FOTO: VON ERICHSEN/DPA

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