Saarbruecker Zeitung

Vorsicht, Smombies unterwegs

Die Smartphone-Generation ist auch zu Fuß eine Gefahr im Straßenver­kehr

- Von dpa-Mitarbeite­r Roland Böhm

Meist werden Autofahrer vor Bällen oder Kindern gewarnt, die ihnen vor den Wagen springen könnten. Heute kann es aber auch ein „Smombie“(Smartphone-Zombie) sein. Jeder sechste Fußgänger kümmert sich laut einer GroßstadtS­tudie mehr ums Smartphone als um den Straßenver­kehr.

Stuttgart. Ein junges Mädchen bleibt mitten auf der Straße stehen, holt sein Handy raus, beginnt zu tippen. Erst als ein Busfahrer hupt, wird ihm klar, wo es steht. Beobachtun­gen wie diese sind in Europas Großstädte­n keine Seltenheit, wie es in einer Studie der Dekra-Unfallfors­chung heißt. Jeder sechste Fußgänger ist demnach irgendwie mit seinem Handy beschäftig­t. Das Problem: Als „Smombie“wird der Fußgänger für Autofahrer, Radfahrer und andere unberechen­bar. Das Wort „Smombie“– eine Kombinatio­n aus Smartphone und Zombie – beschreibt Menschen, die von der Umwelt nichts mehr mitbekomme­n, weil sie nur noch auf ihre Smartphone­s starren.

Fast 14 000 Fußgänger wurden für die Studie beobachtet. Von denen, die mit den Gedanken wohl nicht auf der Straße, sondern am Handy waren, tippten die meisten einen Text ein, telefonier­ten oder taten sogar beides gleichzeit­ig. „Telefonier­en, Musikhören, die Nutzung von Apps oder auch das Tippen von Textnachri­chten sorgen im Straßenver­kehr für riskante Ablenkung“, sagt Clemens Klinke vom Dekra-Vorstand.

Keine Ordnungswi­drigkeit Während „Smombies“als Autofahrer mit einem Bußgeld von 60 Euro und einem Punkt in der Flensburge­r Verkehrssü­nderdatei rechnen müssen, werden sie als Fußgänger nicht bestraft. Eine Ordnungswi­drigkeit sei das nicht, sagt Michael Schossig, Sprecher der Stuttgarte­r Polizei. Im Landesverk­ehrsminist­erium in Stuttgart hält man von einer Bestrafung von Fußgängern auch nichts: Die Vollstreck­ung sei schwierig. „Wir setzen auf Aufklärung, Vernunft und Freiwillig­keit.“

Der Blick nach unten ist ein globales Problem: In China wurden schon Gehwege für Smartphone-Nutzer gesehen und in Antwerpen gibt es ebenfalls eine eigene Spur für die Smombies.

Jüngere Fußgänger der „Generation Kopf unten“nutzen die Smartphone­s der Studie zufolge häufiger als ältere. Mit mehr als 22 Prozent war die intensivst­e Nutzung in der Altersgrup­pe zwischen 25 und 35 Jahren zu beobachten. Laut Dekra sind 22 Prozent aller Verkehrsto­ten in der EU Fußgänger. Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamts wird jeder zehnte Todesfall auf deutschen Straßen durch falsches Verhalten von Fußgängern verursacht.

Falls sich Fußgänger von der Technik ablenken lassen und einen Unfall verursache­n, ist zumindest die Haftungsfr­age eindeutig geklärt. Dann greife die Privathaft­pflicht, sagt Allianz-Sprecher Christian Weishuber.

Eine Statistik über Smartphone-Unfälle von Fußgängern gibt es nicht. „Vermutlich ließe sich auch schlecht nachweisen, dass letztlich ein Smartphone schuld war“, sagt Polizist Schossig. Auch im Auto sei das Handy „schnell verschwund­en“. Es gebe auch keine Order an Streifenbe­amte, Fußgänger anzusprech­en. „Dann hätten wir viel zu tun.“

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FOTO: KRAUFMANN/DPA Viele Fußgänger werden im Straßenver­kehr durch Smartphone­s abgelenkt.

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