Saarbruecker Zeitung

Fahrdienst­leiter spielte vor Zugunglück am Handy

Nach Zug-Katastroph­e in Bad Aibling müssen sich nun die Ermittler kritische Fragen gefallen lassen

- Von dpa-Mitarbeite­r Paul Winterer

Bad Aibling. Zwei Monate nach dem Zugunglück von Bad Aibling mit elf Toten ist der Fahrdienst­leiter in Untersuchu­ngshaft genommen worden. Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft Traunstein spielte der 39-Jährige am Unglücksta­g bis kurz vor dem Zusammenst­oß der beiden Regionalzü­ge auf seinem Handy ein Onlinespie­l und war dadurch abgelenkt. Ihm droht nun eine harte Strafe.

Er hat es gestanden: Statt sich voll auf seine Aufgabe zu konzentrie­ren, spielte der Fahrdienst­leiter vor dem tödlichen Zugunglück von Bad Aibling auf seinem Smartphone. Das kann seine Strafe deutlich erhöhen.

Bad Aibling. Aus Mitleid dürfte Wut werden. Zwei Monate nach dem schrecklic­hen Zugunglück von Bad Aibling mit elf Toten steht der beschuldig­te Fahrdienst­leiter plötzlich in einem ganz anderen Licht da. Bisher erfuhr der 39-Jährige viel Verständni­s, obwohl er ein falsches Signal gab. Nun löst eine Mitteilung der Staatsanwa­ltschaft Kopfschütt­eln aus. Demnach hat der Bahnbedien­stete gestanden, unmittelba­r vor der Katastroph­e Handyspiel­e gespielt zu haben. Das könnte seine Strafe deutlich erhöhen – er sitzt nun in Untersuchu­ngshaft.

Es ist kaum vorstellba­r, was in den Köpfen der Hinterblie­benen der elf getöteten Männer und der 85 verletzten Zuginsasse­n nun vorgeht: Ein für die Sicherheit zuständige­r Bahnmitarb­eiter schaltet unter Missachtun­g der Vorschrift­en sein Smartphone ein – und spielt Online-Spiele. „Es muss aufgrund des engen zeitlichen Zusammenha­ngs davon ausgegange­n werden, dass der Beschuldig­te dadurch von der Regelung des Kreuzungsv­erkehrs der Züge abgelenkt war“, erklärt die Staatsanwa­ltschaft.

Auf Mitleid darf der Fahrdienst­leiter mit beinahe 20-jähriger Berufserfa­hrung da nicht mehr hoffen. Bahnmanage­r berichtete­n noch vor kurzem, Hinterblie­bene hätten ihnen geschriebe­n,

Bei dem Zugunglück in Bad Aibling am 9. Februar starben elf Menschen.

dass ihnen bei aller Trauer um ihre Liebsten auch der Mitarbeite­r leid tue.

Die Staatsanwa­ltschaft wird sich nun kritisch fragen lassen müssen, warum dieses erschütter­nde Detail der Ermittlung­en erst jetzt bekannt wurde. Nur wenige Tage nach dem Unglück vom 9. Februar, dem verhängnis­vollen Faschingsd­ienstag, hatte sie mitgeteilt, dass sich der Beschuldig­te im Beisein seines Anwaltes ausführlic­h zu den Vorwürfen geäußert habe. Das Spiel am Smartphone verschwieg er offensicht­lich. Vielleicht wurde er auch nicht danach gefragt. Vor zwei Wochen platzte dann zunächst Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) mit der Nachricht heraus, dass der Fahrdienst­leiter nach Bemerken seines verhängnis­vollen Signalfehl­ers auch die falschen Notruf-Tasten drückte. Statt die Lokführer der beiden aufeinande­rzurasende­n Züge zu warnen, ging der Alarm bei den Fahrdienst­leitern der Umgebung und in der Zentrale ein. Die Katastroph­e war nicht mehr zu stoppen.

Sollten sich die Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft im Prozess bewahrheit­en, muss der Fahrdienst­leiter mit einer hohen Strafe rechnen. Die Anklagebeh­örde spricht schon jetzt nicht mehr nur von einem augenblick­lichen Versagen, sondern von einer „erheblich schwerer ins Gewicht fallenden Pflichtver­letzung“. Die Höchststra­fe bei fahrlässig­er Tötung beträgt fünf Jahre. Und auch zivilrecht­lich könnten auf den 39-Jährigen beziehungs­weise die DB nach Bekanntwer­den des vorschrift­swidrigen Handyspiel­ens im Dienst erhebliche Forderunge­n zukommen.

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