EU will Konzerne zu Transparenz zwingen
Gewinne und Steuerzahlungen sollen bekanntgegeben werden
Die EU-Kommission fordert von Konzernen mehr Transparenz. Sie sollen künftig für jedes EU-Land, in dem sie tätig sind, ihre Gewinne und Steuerlasten offenlegen.
Die EU-Kommission will den Steuervermeidungs-Strategien der Konzerne mit einem Zwang zu Transparenz begegnen. Der Organisation Transparency International gehen die Pläne allerdings nicht weit genug.
Brüssel/Straßburg. Jonathan Hill stellte klar: „Die PanamaPapers haben unsere Entschlossenheit nur noch gestärkt.“Die Aufgabenteilung der Brüsseler EU-Kommission wies ausgerechnet dem Kommissar aus Großbritannien, das wegen seiner Steueroasen in aller Welt immer wieder gerügt wird, die Aufgabe zu, die neuen Kampfmaßnahmen gegen Steuerflucht und Abgaben-Vermeidung gestern in Straßburg vorzustellen. „Einige multinationale Unternehmen können dank komplizierter Steuermodelle fast ein Drittel weniger Steuern zahlen als jene Betriebe, die nur in einem Land tätig sind“, sagte Hill. Das habe mit „Steuergerechtigkeit“nicht viel zu tun. Dagegen setzt die Kommission nun ihr Konzept. Dessen zentrale Botschaft heißt: Transparenz.
„Karten auf den Tisch“Sollte der Vorschlag von den 28 Mitgliedstaaten und dem EUParlament angenommen werden, müssten alle Konzerne mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro für jedes Land, in dem sie tätig sind, eine eigene Aufstellung ihrer Gewinne und die beglichene Steuerlast offenlegen. Interessierte Bürger könnten die Berichte im Internet nachlesen, wo sie fünf Jahre zugänglich sein müssen. Zusätzlich haben die Firmen auch die außerhalb der EU bezahlten staatlichen Abgaben zu beziffern. Und: Diese Regelung soll nicht nur für europäische Unternehmen gelten, sondern auch für Konzerne aus anderen Staaten, wenn sie innerhalb der EU Geschäfte machen. Google, Microsoft, Apple oder McDonalds – sie alle wären nach diesem Vorschlag also künftig gezwungen, ihre Umsätze, Gewinne und Steuern zu veröffentlichen.
Zwar betonte Kommissar Hill, dass dies in einer Form geschehen soll, bei der „keine vertraulichen Geschäftsinformationen“bekannt werden. Aber dennoch würde es für die Unternehmen, die bisher nicht selten Absprachen mit Finanzbehörden trafen, um ihre Abgaben zu senken, eine Kehrtwende bedeuten. Schon vorab hatte Brüssel in einem ersten Teil der Firmensteuerreform den automatischen Informationsaustausch der Finanzämter untereinander geregelt, damit – wie es gestern in Straßburg hieß – „jeder von jedem weiß, wie viel er wem in Rechnung gestellt hat“. „Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Finanzämtern muss Hand in Hand gehen mit öffentlicher Transparenz“, meinte Kommissionsvize Valdis Dombrowskis.
Im EU-Parlament stieß der Plan schon bei seiner Präsentation auf viel Zustimmung. „Jetzt kommen die Karten endlich auf den Tisch, die Unternehmen müssen Farbe bekennen“, lobte der SPD -Europa-Parlamentarier und finanzpolitische Experte seiner Fraktion, Peter Simon. „Die Vorschläge weisen in die richtige Richtung“, stellte auch der stellvertretende Vorsitzende des Wirtschafts- und Währungsausschusses, der CSU-Europa-Abgeordnete Markus Ferber fest.
Kritik kam dagegen von Transparency International. „Die Kommission hat eine Chance ungenutzt verstreichen lassen, die Unternehmen zu mehr Offenheit zu zwingen“, kommentierte Elena Gaita, Transparenz-Expertin der Organisation. So sei es leicht möglich, dass Großkonzerne künftig Steuerabsprachen, wie sie bisher mit EU-Regierungen getroffen wurden, mit den Führungen von Nicht-EU-Staaten vereinbaren, wo „die öffentliche Aufmerksamkeit“nicht so ausgeprägt ist.
Der Versuch, mehr Transparenz zu schaffen, ist zweifellos richtig. Zwar wird damit unseriösen Absprachen nicht komplett das Wasser abgegraben. Wer könnte denn schon die Geschäftstätigkeit etwa einer nigerianischen oder kolumbianischen Unternehmenstochter