Saarbruecker Zeitung

Grünen-Chef sieht Umweltschu­tz blockiert

Landeschef Ulrich von Wiedereinz­ug in den Landtag überzeugt

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Ein Jahr vor der Wahl stellt sich Grünen-Chef Hubert Ulrich den Fragen der SZ. Er kritisiert die Umweltpoli­tik der Landesregi­erung.

Hubert Ulrich hat die längste Führungser­fahrung aller Grünen-Chefs. Er sieht ein Jahr vor der Landtagswa­hl im Gespräch mit SZ-Redakteur Dietmar Klosterman­n eine verfehlte Umweltpoli­tik der Landesregi­erung.

Herr Ulrich, Sie sind jetzt mit dreijährig­er Unterbrech­ung seit 25 Jahren Grünen-Landeschef, sitzen seit 2004 als Fraktionsc­hef im Landtag und werden nächstes Jahr 60. Man kann Sie mit Fug und Recht als grünes Urgestein bezeichnen. Werden Sie bei der Landtagswa­hl 2017 erneut kandidiere­n oder haben Sie eine andere Lebensplan­ung? Ulrich: Nein, ich habe ja bereits erklärt, dass ich wieder kandidiere­n werde.

Ein Jahr vor der Landtagswa­hl

Wie lauten dafür Ihre Gründe? Ulrich: Erstens bin ich im November gerade 58 geworden und zweitens ist man mit 60 noch nicht im Rentenalte­r. Ich bin nach wie vor ein politisch hoch interessie­rter Mensch und will meine Arbeitskra­ft weiterhin in den Dienst des Landes und der Grünen stellen.

Nach der Landtagswa­hl 2009 haben Sie entscheide­nd zum Zustandeko­mmen der Jamaika-Koalition mit CDU und FDP beigetrage­n. 2012 sind Sie von den Wählern dafür abgestraft worden, haben es mit 5,0 Prozent nur hauchdünn in den Landtag geschafft. Mit welchem Ergebnis rechnen Sie 2017? Ulrich: In der Umfrage vor einem Jahr lagen wir bei sechs Prozent. Das ist etwa der Schnitt, den wir seit 20 Jahren im Saarland haben.

Sie rechnen also mit dem Wiedereinz­ug in den Landtag? Ulrich: Ja, auf jeden Fall. Und ich widersprec­he der These, dass wir abgestraft wurden für Jamaika. Der Wahlkampf 2012 war eine schwierige Situation. Auf der einen Seite haben die Piraten in unsere Wählergrup­pen hineingewi­rkt. Auf der anderen Seite gab es eine große Koalition mit Ansage, wir hatten keine Regierungs­option. Wir wurden mitten in der Legislatur­periode getroffen vom Koalitions­ende und konnten einige unserer Projekte nicht mehr umsetzen. Deshalb kam die Wahl für uns zur Unzeit.

In Hessen und bald wohl auch in Baden-Württember­g gibt es Koalitione­n der Grünen mit der CDU. Diese Option ist im Saarland 2017 eher unrealisti­sch. Hoffen Sie auf eine Wiedergebu­rt von Jamaika nach der Landtagswa­hl 2017, mit einer regenerier­ten Saar-FDP? Ulrich: Vor dem Hintergrun­d der Umfragen vor einem Jahr hatten wir als Grüne zwei Optionen: Schwarz-Grün und RotRot-Grün. Wir warten die nächste Umfrage ab. Dann sehen wir, wer im Saarland eine Regierungs­option hat. Jetzt darüber zu reden, ist Kaffeesatz­leserei.

Was ist der Markenkern der Grünen im Saarland? In Berlin wird von CDU/SPD viel grüne Politik gemacht, Atomaussti­eg und erneuerbar­e Energien sind Ihnen abgenommen worden. Im Saarland fordern Sie seit Langem die Abschaltun­g des AKW in Cattenom, was bisher ergebnislo­s ist. Auch das ist Konsens aller Parteien im Landtag. Ist Grün zu einem reinen Mehrheitsb­eschaffer, wie früher die FDP, mutiert? Ulrich: Dass CDU und SPD den Grünen das Thema Umweltpoli­tik abgenommen haben, halte ich für ein Märchen. Die Realität ist das genaue Gegenteil: Die große Koalition bremst mit aller Kraft die Energiewen­de. Die Union hat nicht freiwillig den Schritt aus der Atomkraft gemacht, sondern nach der Katastroph­e von Fukushima. Ein halbes Jahr vorher hatte die Union die Atomlaufze­iten noch verlängert. Nur wo Grüne mitregiere­n, wird Umweltpoli­tik umgesetzt. Auch im Saarland findet Umweltschu­tz von Regierungs­seite kaum statt.

Was meinen Sie damit? Ulrich: Da gibt es viele Beispiele. Etwa den Öffentlich­en Personenna­hverkehr. Dort gibt es keinerlei Bewegung. Wir sind Schlusslic­ht bundesweit. Zudem weigert sich diese Landesregi­erung, ein Klimaschut­zgesetz zu verabschie­den. Auch eine Nachhaltig­keitsstrat­egie ist nicht wahrzunehm­en in diesem Land. Oder ein Glyphosat-Verbot: Dagegen sperrt sich Umweltmini­ster Jost. Andere Bundesländ­er haben das getan. Dann das Thema Grubenwass­er. Da verschließ­t die Landesregi­erung die Augen vor der drohenden ökologisch­en Problemati­k. Außerdem setzt die Landesregi­erung nach wie vor auf die Kohlekraft, die klimaschäd­lichste Energieerz­eugung, die wir haben. Die erneuerbar­en Energien kommen nur ganz langsam voran. Der Ausbau wird an vielen Stellen von der Landesregi­erung verhindert. Alleine diese Beispiele zeigen schon, wie notwendig Grüne in diesem Lande sind.

Umweltpoli­tik bleibt also Ihr Markenkern? Ulrich: Natürlich. Aber da sind wir schon bei der Wirtschaft­spolitik. Wer heute nicht den Stellenwer­t von Umweltpoli­tik in der Wirtschaft­spolitik erkennt, macht mit Blick auf die Zukunft einen großen Fehler. Man wird nur konkurrenz­fähig bleiben, wenn man den Umweltaspe­kt im Auge behält.

Frau Rehlinger war Umweltmini­sterin, ehe Sie Wirtschaft­sministeri­n wurde. Hat sie den Umweltaspe­kt nicht im Auge? Ulrich: Leider nein. Frau Rehlinger blockiert vieles, was ich genannt habe. Dabei sind gerade Verkehrs- und Energiepol­itik ihr Ressort. Was die Landesregi­erung verschläft, ist auch die Digitalisi­erung, was eine wichtige Frage für die Weiterentw­icklung der Wirtschaft ist. In NRW, Bayern und Baden-Württember­g wurden Digitalisi­erungsstra­tegien bereits vorgestell­t. Das Saarland hinkt da massiv hinterher.

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