Die große Koalition will keine Geisterbahnfahrt
Regierungparteien gehen Streitthemen an – im Vergnügungspark
Berlin. Ausgerechnet im Europapark Rust kommen nächste Woche die Fraktionsvorstände von CDU/CSU und SPD zusammen. In einem Vergnügungspark also. Fahrten in der Geister- oder der Achterbahn sind nicht geplant. Obwohl es zur Lage der Koalition passen würde. „Wir werden beide nicht bestücken“, witzelte gestern Unions-Parlamentsgeschäftsführer Michael GrosseBrömer (CDU). Bereits heute trifft sich der Koalitionsausschuss im Kanzleramt. Die zwei Termine sind eng verbunden.
In den Umfragen sind Union und SPD deutlich abgesackt. Bei den beiden Treffen will das Bündnis nach all den Querelen und Streitereien der vergangenen Monate seine Handlungsfähigkeit beweisen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir einiges auf den Weg bringen können“, meinte gestern CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Vor allem ihrer Partei war zuletzt vorgeworfen worden, sie blockiere wichtige Vorhaben, um Änderungen in der Flüchtlingspolitik zu erreichen. Jetzt herrscht Optimismus. Auch bei der SPD. Fraktionschef Thomas Oppermann betonte: „Wir wollen den Koalitionsvertrag bis zur Sommerpause abarbeiten.“ Freilich ist die Liste der festhängenden und neu hinzugekommenen Vorhaben lang. Bei der Erbschaftssteuerreform etwa hatten sich CDU und SPD schon auf einen Kompromiss geeinigt, doch dann grätschte die CSU dazwischen. Ende Juni laufen die Ausnahmen für Betriebserben aus, so will es das Verfassungsgericht. CSU-Chef Horst Seehofer drängt Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu weiteren Ausnahmen. Eine Einigung dürfte heute schwierig werden. Besser sieht es beim Integrationsgesetz aus. Damit will Innenminister Thomas de Maizière (CDU) Flüchtlingen bei mangelhafter Integration ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht verwehren. Andrea Nahles (SPD) wandte sich zuletzt dagegen. Fraktionschef Oppermann betonte gestern jedoch, nur wer Integrationsangebote annehme, „hat die Chance, dauerhaft in Deutschland zu bleiben“.
Bei Werkverträgen und Leiharbeit blockiert nach Ansicht der SPD die CSU längst gefundene Kompromisse. Der von Nahles vorgelegte Gesetzentwurf sieht strengere Regeln vor. Er sollte schon Anfang März vom Kabinett beraten werden. Unionsfraktionschef Kauder erklärte gestern: „Was im Koalitionsvertrag steht, werden wir machen.“Mehr aber nicht. Hier ist der Ausgang offen.
Für Elektroautos schlägt die SPD eine Subvention von 5000 Euro vor. Doch Finanzminister Schäuble glaubt, dass es wichtigeres gibt. Außerdem will er die Autokonzerne nicht mit einer milliardenschweren Subvention unterstützen. Inzwischen hat Schäuble angekündigt, es werde zeitnah eine kleine Lösung gefunden. Ein Kompromiss ist möglich, sagt auch die SPD.
Beim Teilhabegesetz dagegen ist das weniger wahrscheinlich. Damit möchte die Koalition die Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung modernisieren und deutlich verbessern. Finanz- und Sozialpolitiker stehen sich gegenüber. Auch bei der Reform des Erneuerbare-EnergienGesetzes (EEG) hakt es seit Monaten. Im Kern geht es um die Umgestaltung des Förderverfahrens auf die Ausschreibung bestimmter Mengen von Wind- und Photovoltaikstrom. Das EEG müsste spätestens am 4. Mai vom Kabinett verabschiedet werden, um noch 2016 in Kraft treten zu können. So hat es Schwarz-Rot der EU zugesagt. Hier wird der Einigungsversuch kein reines Vergnügen. Auch nicht im Vergnügungspark.