Saarbruecker Zeitung

Baustelle Rente

Die Zukunft der Alterssich­erung fordert große Entscheidu­ngen

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Die große Koalition ist inzwischen eine Gemeinscha­ft auf kleinem politische­m Nenner. Da klingt es schon erstaunlic­h, wenn die Spitzen von Union und SPD nun unisono nach einer umfassende­n Rentenrefo­rm rufen. Doch gemach, hier ist auch viel Theater im Spiel. Wenn man bedenkt, wie sich beide Lager schon bei vergleichs­weise kleinen Würfen – siehe die Rente mit 63 – in die Haare gekriegt haben, mag man sich den Streit um rentenpoli­tisch Grundsätzl­iches nur ungern ausmalen.

Gleichwohl ist das gegenwärti­ge Getöse nicht nur als Beitrag zum Wahlkampf zu verstehen. Alle Vorausbere­chnungen über das Verhältnis der gesetzlich­en Altersbezü­ge zu den Löhnen enden 2030. Aus brisantem Grund. Spätestens danach wird sich die Alterung in Deutschlan­d erheblich beschleuni­gen, was sich in der Rentenkass­e niederschl­ägt. Also braucht es eine Anschlussr­egelung, für die bald die Weichen gestellt werden müssen. Soll das Rentennive­au bei dann 43 Prozent verharren? Oder soll es wieder steigen? Wer das will, muss freilich auch über die Finanzieru­ng reden. Sollen die Beiträge exorbitant zulegen – oder der ohnehin schon hohe Steuerzusc­huss? Erinnert werden muss freilich auch daran, dass die Absenkung des Rentennive­aus seinerzeit mit dem plausiblen Argument einer langfristi­gen Bezahlbark­eit des Rentensyst­ems gerechtfer­tigt wurde. In jedem Fall geht es um fundamenta­le Entscheidu­ngen,

GLOSSE die viel Vorlauf brauchen. Das hat sich schon bei der schrittwei­sen Erhöhung des regulären Renteneint­rittsalter­s auf 67 Jahre gezeigt. Ein Prozess, der 2007 politisch in Gang kam, aber in der Praxis erst 2029 abgeschlos­sen sein wird.

Was die viel diskutiert­e Altersarmu­t angeht, so wäre die Wiederanhe­bung des Rentennive­aus sicher kein Heilmittel. Wer das Pech hatte, im Leben lange krank zu sein, dem kann sie kaum helfen. Langzeitar­beitslosen schon gar nicht. Denn für sie kommen überhaupt keine Beiträge in die Rentenkass­e. Genau um solche Gruppen geht es jedoch, soll das schleichen­de Problem der Altersarmu­t zielgenau bekämpft werden. Selbst die SPD hat sich darum bislang nicht geschert. Ihre Rente mit 63 nützt Langzeitbe­schäftigte­n, die meistens auch so eine auskömmlic­he Rente gehabt hätten. Und auch ihre geplante „Lebensleis­tungsrente“setzt ein jahrzehnte­langes Arbeitsleb­en voraus. Jene, die es wirklich nötig hätten, blieben also abermals außen vor.

Derzeit ist Altersarmu­t eher von geringer Bedeutung. Das entbindet die Parteien aber nicht von der Pflicht, geeignete Gegenkonze­pte zu entwickeln. Die Pflicht zur privaten Vorsorge wäre eine Möglichkei­t. Die Erhöhung der staatliche­n Zuschüsse für die Riester-Rente wegen des Niedrigzin­ses eine andere. Insofern darf man auf den nächsten Bundestags­wahlkampf sogar gespannt sein.

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Von StefanVett­er

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