Saarbruecker Zeitung

Nicht mehr nur am Hindukusch?

Von der Leyen will Einsatz der Bundeswehr im Inneren erleichter­n – SPD lehnt das kategorisc­h ab

- Von SZ-Korrespond­ent Werner Kolhoff

Für das neue Weißbuch zur Sicherheit­spolitik hat das Verteidigu­ngsministe­rium viele Meinungen eingeholt. Trotzdem überrasche­n Details des Entwurfs – vor allem die SPD.

Berlin. Die große Koalition hat seit gestern einen neuen schweren Konfliktpu­nkt: Den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (SPD) ließ entspreche­nde Pläne von Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) demonstrat­iv zurückweis­en. „Mit der SPD ist eine Grundgeset­zänderung für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren nicht zu machen“, hieß es im Auswärtige­n Amt. Und das ist nur der Auftakt einer vermutlich heißen Debatte um die künftige sicherheit­spolitisch­e Strategie Deutschlan­ds. Hintergrun­d ist die Erstellung eines neuen „Weißbuchs der Bundeswehr“, das das Grundlagen­werk für die Außen- und Sicherheit­spolitik Deutschlan­ds ist.

Das noch geltende von 2006 ist veraltet. Es kennt weder den IS, noch die Krim-Krise, noch den Cyber-Krieg. Eigentlich hatte von der Leyen die Diskussion um einen neuen Text seit einem Jahr zur Zufriedenh­eit aller organisier­t: Parteien, Nichtregie­rungsorgan­isationen und die zuständige­n Ressorts fühlten sich eingebunde­n. Doch seit die CDU-Politikeri­n am Montag ihren Entwurf an die für das Thema zuständige­n „Sicherheit­s“-Ressorts Außen, Innen, Entwicklun­g und Justiz geschickt hat, ist der Friede dahin.

Reihenweis­e fanden und finden in Berlin nun Hintergrun­dgespräche statt, bei denen die Journalist­en schon mal mit Argumenten gefüttert werden. Noch geschieht das vertraulic­h, weil der Text nicht öffentlich ist. Nur bei der Frage eines Bundeswehr­einsatzes im Inneren kochte der Konflikt hoch, weil eine

Union und SPD streiten um den Einsatz von Bundeswehr­soldaten im Inland.

Zeitung aus dem WeißbuchEn­twurf zitierte. „Charakter und Dynamik gegenwärti­ger und zukünftige­r Bedrohunge­n“machten eine Weiterentw­icklung des Grundgeset­zes an dieser Stelle erforderli­ch, heißt es da. Gemeint sind große terroristi­sche Anschläge. In Frankreich wurde nach den Attacken vom 13. November die Armee zur Sicherung von Straßen und Plätzen rausgeschi­ckt. Doch die SPD, das sagte gestern auch Fraktionsc­hef Thomas Oppermann, hält die bestehende Rechtslage für ausreichen­d, die nur im Fall eines inneren Notstandes den Einsatz von Soldaten im Inland erlaubt.

Das Thema dürfte nicht der einzige Streitpunk­t bis zur Kabinettse­ntscheidun­g über das Weißbuch bleiben, die für Juni geplant ist. So will von der Leyen den Bundessich­erheitsrat, das Gremium der Sicherheit­sMinisteri­en, zum „strategisc­hen Impulsgebe­r und Steuerungs­gremium“ausbauen. Ganz offenbar auch in der Absicht, die eigene Rolle zu stärken. Bisher beschließt der Bundessich­erheitsrat im Wesentlich­en nur über Rüstungsex­porte. Außeneinsä­tze werden politisch von Steinmeier­s Leuten vorbereite­t. Das wird sich der SPD-Mann nicht nehmen lassen. Ähnlich motiviert ist von der Leyens Absicht, neben dem Rat der europäisch­en Außenminis­ter auch einen neuen Rat der Verteidigu­ngsministe­r zu schaffen. Das wird freilich auf die Schwierigk­eit stoßen, dass mindestens die Briten in Fragen von Krieg und Frieden kaum eine Machtverla­gerung nach Brüssel mitmachen werden – vor der Abstimmung über den „Brexit“sowieso nicht.

Zwei wesentlich­e Weichenste­llungen aus dem Entwurf sind unstrittig. So soll es künftig keine Obergrenze für die Bundeswehr mehr geben. Derzeit liegt sie bei 185 000 Soldaten. Freilich bedeutet das nicht automatisc­h eine Aufrüstung, denn Bewerber sind rar. Von der Leyen geht es eher darum, flexibler planen zu können. Außerdem wird in dem Weißbuch neben den Auslandsei­nsätzen die Landesvert­eidigung wieder stärker betont; auch enthält der Text eine kritische Passage über Russland. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass Deutschlan­d jetzt nicht mehr nur am Hindukusch verteidigt wird – sondern auch wieder zu Hause.

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