Saarbruecker Zeitung

Bundestag lässt Piloten besser durchleuch­ten

Nach Germanwing­s-Absturz: Parlament beschließt strengere Drogen- und Alkoholkon­trollen sowie eine flugmedizi­nische Datenbank

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Ein psychisch kranker Pilot stürzt 150 Menschen in den Tod. Er durfte fliegen, obwohl Ärzte von seinem schlechten Gesundheit­szustand wussten. Jetzt zieht der Gesetzgebe­r Konsequenz­en aus der Germanwing­s-Katastroph­e.

Berlin. Es ist gut ein Jahr her, dass in den französisc­hen Alpen eine Germanwing­s-Maschine zerschellt. Alle 150 Menschen an Bord sterben. Zum Absturz gebracht hat das Flugzeug nach den Ermittlung­en der psychisch kranke Copilot Andreas Lubitz. Mit Drogentest­s und einer Datenbank, die Ärzte-Hopping unmöglich machen soll, reagiert der Gesetzgebe­r nun. Nicht nur Linke und Grüne lehnen das Gesetz im Bundestag ab, auch die Piloten sind skeptisch.

Künftig sollen Fluggesell­schaften untersuche­n, ob ein Pilot bei Dienstantr­itt unter dem Einfluss von „Medikament­en, Alkohol oder anderen psychoakti­ven Substanzen“steht, wenn es einen entspreche­nden Verdacht gibt. Daneben sind aber auch Zufallskon­trollen geplant. Die Piloten halten davon nichts. „Irgendeine­r wird den Kollegen schon mitteilen, dass eine Kontrolle stattfinde­t“, sagt der Sprecher der Vereinigun­g Cockpit, Markus Wahl. Wenn sich aber einmal im Kopf eines Betroffene­n festsetze, dass er sich verstecken müsse, dann wende er sich im Zweifel auch nicht an Hilfsprogr­amme.

Der Gesetzgebe­r setzt aber nicht nur auf Drogentest­s, sondern führt auch eine flugmedizi­nische Datenbank ein. In dieser müssen künftig Einzelbefu­nde und abgebroche­ne Behandlung­en der Piloten gespeicher­t werden – und zwar personalis­iert. Flugmedizi­ner können sich so in gewissem Umfang über vorherige Untersuchu­ngen informiere­n. Damit soll verhindert werden, dass Piloten von einem Arzt zum nächsten gehen, bis ihnen einer bescheinig­t, dass sie gesund sind und fliegen dürfen. Bei Zweifeln an der Tauglichke­it eines Piloten müssen außerdem die Behörden informiert werden. Lubitz hatte den Ermittlern zufolge mehrere Ärzte aufgesucht. Kurz vor der Katastroph­e wurde ihm eine Einweisung in ein psychiatri­sches Krankenhau­s empfohlen. Die Behörden wussten davon nichts.

Die Entscheidu­ng, die Daten anders als bisher mit dem Namen des Patienten zu speichern, ist nach Ansicht von Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) ein bedeutende­r Schritt. Die Abwägung zwischen Datenschut­z und Sicherheit ist sonst heftig umstritten. Obwohl sie hier zulasten des Datenschut­zes der Patienten ausgegange­n ist, können auch die Piloten damit leben. „Wir überschlag­en uns nicht vor Freude“, sagt Sprecher

Von der Unglücksma­schine fanden Rettungskr­äfte nur noch wenige größere Teile.

Wahl. „Aber das kann man schon so machen.“

Erste Reaktionen der Fluggesell­schaften auf die Katastroph­e hatte es bereits wenige Tage nach dem Absturz gegeben. Seitdem müssen bei vielen Fluglinien immer zwei Personen im Cockpit sein. Nach den Ermittlung­en hatte Lubitz seinen Kollegen nämlich aus dem Cockpit ausgesperr­t und konnte den Jet so zum Absturz bringen. Die Zwei-Personen-Regel sei im ersten Moment eine gute Maßnahme gewesen, sagt Piloten-Sprecher Wahl. Er bezweifelt aber, dass das Fliegen damit insgesamt sicherer geworden sei. Terroriste­n könnten durch das Rein- und Rauslaufen mehrerer Personen einfacher ins Cockpit gelangen. Ein Schleusens­ystem wäre eine konsequent­ere Alternativ­e, sei aber wohl teuer.

So richtig zufrieden ist der Piloten-Verband mit dem Gesetz am Ende nicht. Zum einen habe man Piloten und Mediziner nicht angehört, kritisiert Wahl. Zum anderen fehlten klare Regeln für Hilfsprogr­amme, an die sich betroffene Piloten wenden können, ohne Angst haben zu müssen, ihren Job zu verlieren. Der Bundesverb­and der Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft begrüßt die neuen Vorschrift­en dagegen. In einem weiteren Schritt solle die EU nun psychosozi­ale Anlaufstel­len für Crewmitgli­eder, die es in Deutschlan­d bereits gebe, für ganz Europa verbindlic­h machen.

Die Regierungs­fraktionen sind optimistis­ch: Mit dem Gesetz habe man politisch alles getan, „dass man über den Wolken vielleicht doch grenzenlos­e und sichere Freiheit verspürt“, sagt der SPDAbgeord­nete Andreas Rimkus bei der Bundestags­debatte. dpa

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