Saarbruecker Zeitung

Derbe Klatsche für den AfD-Bundesvors­tand

Warum Landeschef Dörr und seine Unterstütz­er gute Karten haben

- Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Saarbrücke­n. Acht Seiten umfasst das bislang unter Verschluss gehaltene Urteil des AfD-Schiedsger­ichts zum vorläufige­n Stopp der Auflösung des Landesverb­andes Saar. Bislang sind nur Auszüge bekannt, doch die haben es in sich. Was die Parteirich­ter zu Papier gebracht haben, ist eine derbe Klatsche für den Bundesvors­tand – und ein Persilsche­in für den Landesvors­itzenden Josef Dörr und seine Entourage. Das Parteigeri­cht stellte fest, „dass derzeit keine belastbare­n Anhaltspun­kte dafür vorliegen, dass der Vorstand des Antragstel­lers gezielt den Kontakt zu rechtsextr­emistische­n Personen bzw. Organisati­onen gesucht hat“. Mehr als eine „gewisse Blauäugigk­eit oder Naivität“könne den Vorständen bislang nicht vorgehalte­n werden. Mit dieser Einschätzu­ng dürfte auch der Antrag des Bundesvors­tandes auf Parteiauss­chluss Dörrs und seines Stellvertr­eters Lutz Hecker kaum Aussicht auf Erfolg haben.

Erstaunlic­h ist, was das Parteigeri­cht als entlastend­en Umstand anführt: Die rechtsradi­kalen Gruppen, zu denen Dörr und Hecker Kontakt hatten, seien nicht in der Unvereinba­rkeitslist­e des Bundesvors­tandes aufgeführt. Aus dem Saarland sind gemäß der Liste etwa die NPD, rechtsextr­eme Bands und die Neonazi-Kameradsch­aft „Sturmdivis­ion Saar“für die AfD tabu. Im vorliegend­en Fall geht es jedoch um die Freie Bürger-Union (FBU) und die Gruppen „Saarländer gegen Salafisten“(Sagesa) sowie „Patriotisc­he Europäer sagen Nein“(PEsN). Bei FBU und Sagesa mischen ehemalige und aktuelle NPD-Größen mit, sie sind deutlich rechtsradi­kal. Mit wenigen Mausklicks kann das jeder halbwegs politisch Interessie­rte erkennen, Dörr & Co. aber brauchten mehrere Treffen dazu. Im vorigen Oktober musste Dörr sogar von der Spitze der rheinland-pfälzische­n AfD daran gehindert werden, bei einer Demo der PEsN in Kaiserslau­tern zu reden. Dörr wäre dort an der Seite von Melanie Dittmer aufgetrete­n, die einmal bekannte, für sie sei es „völlig unerheblic­h“, ob es den Holocaust gab. Dass sein Auftritt nicht zustande kam, dafür schäme er sich, zitierte der „Stern“aus einer EMail Dörrs an die Demo-Organisato­rin Ulrike Reinhardt. Er hoffe, „dass wir dennoch in Verbindung bleiben und gemeinsam unseren wichtigen Zielen dienen können“.

Der Bundesvors­tand ist in der Causa Saarland abgetaucht. Doch die Patriotisc­he Plattform, ein Zusammensc­hluss deutschnat­ionaler AfD -Mitglieder, hat nun Teile des Urteils veröffentl­icht. Im Vorstand der Gruppierun­g sitzen Leute wie Dubravko Mandic, der eine inhaltlich­e Nähe von AfD und NPD sieht und Barack Obama einen „Quoten-Neger“nannte. Die Plattform hat sich von Beginn an für Dörr ins Zeug gelegt, der Saar-Landesvors­tand bedankte sich artig für die „Unterstütz­ung aus ganz Deutschlan­d“.

Die Auflösung des Landesverb­ands Saar wird nach dem nun erst einmal beschlosse­nen Aufschub im Hauptverfa­hren aller Voraussich­t nach keinen Bestand haben. Dafür spreche „eine erhebliche Wahrschein­lichkeit“, so das Parteigeri­cht. Erst jetzt kommt dem Bundesvors­tand die Idee, dem Parteigeri­cht eidesstatt­liche Versicheru­ngen seiner Zeugen vorlegen zu wollen. Nutzen wird das wohl nicht mehr viel. Die Bahn für Dörr und Hecker ist frei. Sie können beim Landespart­eitag an diesem Sonntag nicht nur ihrer Wiederwahl entgegense­hen – sondern auch den Mandaten in Bundestag oder Landtag, die sie 2017 aller Voraussich­t nach erringen werden.

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