Saarbruecker Zeitung

Kühner Wurf, kurze Wirkung

Europas Datenschut­z-Reform leistet viel – aber sie ist altmodisch

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Dieser Wurf ist gelungen. Europa hat sich eine Datenschut­z-Reform gegeben, die in der digitalen Welt für viel Unruhe sorgen wird. Das war auch die Absicht. Brüssel wollte den Bürgern das Recht auf ihre persönlich­en Angaben zurückgebe­n. Sie sollen selbst bestimmen können, was preisgegeb­en und was gelöscht wird.

Nun werden uns die Freaks erklären, dass die eine oder andere Vorschrift bestenfall­s Etikettens­chwindel ist, weil man jede Regelung mit irgendwelc­hen Tricks aushebeln kann. Und die Befürworte­r werden antworten, trotzdem bleibe ja eine Art pädagogisc­her Zeigefinge­r, weil man weniger häufig irgendwelc­he unverständ­lichen Rechtshinw­eise einfach genervt überspring­en wird. Beides ist richtig. Denn der Nutzer erhält mehr Chancen – aber er muss sie auch ergreifen. Wer weiterhin unbedacht alles wegklickt, was heute kleingedru­ckt ist und künftig mit ansprechen­den Symbolen daherkommt, wer private Fotos oder andere persönlich­e Infos einfach ins Netz stellt, trägt eine Mitverantw­ortung für deren weitere Verwendung. Gerade dann, wenn sie so nicht gewollt war.

Die Stärke der neuen Datenschut­z-Grundveror­dnung liegt zweifellos in der Umkehrung des bisherigen Rechtsprin­zips: Kein Anbieter kann sich noch damit herausrede­n, dass seine Rechner in irgendeine­m Winkel der Erde stehen, wo Datenschut­z ein Fremdwort ist. Wer seine Dienste

GLOSSE in der EU anbietet, muss sich künftig nach den hiesigen Standards richten. Für Google, Facebook & Co bringt das einschneid­ende Änderungen, und die werden nicht in jedem Fall angenehm sein. Denn nun steht womöglich genau das Geschäftsm­odell der digitalen Welt auf dem Prüfstand, bei dem kostenlose Angebote mit dem wichtigste­n Rohstoff des Internets beglichen werden: Daten. Wer einem Anbieter wie Facebook die Nutzung seiner Angaben untersagt, darf sich nicht wundern, wenn der Dienst vielleicht bald nicht mehr kostenfrei ist.

Obwohl die Reform bei der Verfügungs­gewalt über die eigenen Daten ein großer Schritt nach vorn ist, bleibt ein Problem. Die Novelle regelt zahlreiche Fragen, die seit Einführung des Netzes bis heute sichtbar wurden. Aber sie bleibt ein starres Regelwerk, allein die Übertragun­g in die nationalen Gesetzeswe­rke braucht zwei Jahre. Und niemand kennt die technische­n Möglichkei­ten und Chancen, die es bis dahin gibt. Für Firmen, die mit Daten arbeiten, könnte sich das als Bumerang erweisen. Auf dem Weg zur Industrie 4.0, zur Digitalisi­erung von Produktion und Dienstleis­tung brauchen wir Flexibilit­ät auch beim Datenschut­z. Die EU hätte Standards setzen können, wenn sie eine ganz neue Form von laufender Gesetzgebu­ng geschaffen hätte. Denn ob die heute gelungene Reform morgen noch greift, steht in den Sternen.

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Von Detlef Drewes

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