Saarbruecker Zeitung

Putins „direkter Draht“zu den Russen

Die Inszenieru­ng einer Bürgerspre­chstunde per TV mit handverles­enen Fragestell­ern

- Von SZ-Korrespond­ent Klaus-Helge Donath

Preissteig­erungen und Lohnkürzun­gen machen vielen Russen zu schaffen. Doch in seiner jährlichen Ein-Mann-Show verbreitet Präsident Putin Optimismus.

Moskau. Wenn Wladimir Putin zum Volk spricht, läuft die vom Kreml kontrollie­rte Medienmasc­hinerie auf Hochtouren. Gleich mehrere landesweit­e Fernsehkan­äle übertragen am Donnerstag die fast vierstündi­ge Show „Direkter Draht“live. Wladimir Putin war bester Laune, sah erholt aus und schien an den PanamaPape­rs nicht zu leiden. Dem Publikum vermittelt­e er den Eindruck, die Krise dürfte zwar noch anhalten, doch mit einem Schrumpfen des Bruttoinla­ndsprodukt­es von 0,3 Prozent 2016 sei das Maß noch erträglich. Putin weigert sich, die Einsicht einer systemisch­en Krise zuzulassen. Auch das Publikum murrte nicht.

Wie immer war der Doktor der Wirtschaft­swissensch­aften bestens präpariert. Gegenüber dem Westen und der Ukraine wiederholt­e er nur bekannte Positionen. Gegenüber den USA gab sich Wladimir Putin gemäßigt. Die Regierung in Washington müsse sich von ihren Großmacht-Ambitionen verabschie­den und Moskau als gleichwert­igen Partner akzeptiere­n. Bei Themen wie dem Kampf gegen den Terrorismu­s, dem iranischen Atomprogra­mm und Abrüstung sei dies trotz aller Differenze­n auch gelungen.

Bei den Panama-Papers, deren Erwähnung der Kreml eingeplant hatte, schrieb Putin den USA gleichwohl die Rolle des Hinterlist­igen zu: „Wir wissen, dass Mitarbeite­r der amerikanis­chen Institutio­nen damit zu tun haben“, so Putin. Auch bei der „Süddeutsch­en Zeitung“, die zum Recherchek­onsortium gehört, will er eine US-Spur entdeckt haben.

Diesmal galt die Aufmerksam­keit des Therapeute­n vor allem Auswirkung­en der wirtschaft­lichen Krise im Innern. Arbeitslos­igkeit, Preissteig­erungen und ausbleiben­de Lohnzahlun­gen nahmen viel Zeit ein. Nun darf man sich dies aber nicht wie einen offenen Schlagabta­usch vorstellen. Die Zeitung RBK berichtete, dass die handverles­enen Fragestell­er zwei Tage in einem Erholungsh­eim der Präsidiala­dministrat­ion am Rande Moskaus auf Fragen und Verhalten vorbereite­t wurden. Sie durften auch vor der

MEINUNG

PWladimir Putin räsident Putin hat alles im Griff. Diesen Eindruck vermittelt­e der Kremlchef auch bei seinem 14. „Direkten Draht“. Wer nicht – wie der misstrauis­che Durchschni­ttsrusse – grundsätzl­ich an allem zweifelt, geht diesem Schauspiel auf den Leim. Kurzum, es ist die große Kunst des russischen Theaters, die immer dann über sich hinauswäch­st, wenn sich tektonisch­e Veranstalt­ung nicht nach Moskau fahren. Vor allem war ihnen aber aufgetrage­n worden, mit niemandem „auch nicht mit Verwandten über die Vorbereitu­ngen zu sprechen“, schrieb RBK.

Laut Kreml hatte die Bevölkerun­g im Vorfeld auf der Kreml-Website die meisten Fragen zum Zustand der Straßen und der leidigen kommunalen Wohnungswi­rtschaft gestellt. Rubelverfa­ll und Krise hätte die Menschen weniger interessie­rt. Dem folgte auch die Inszenieru­ng der Putin-Show. Eine Meinungsum­frage stellte unterdesse­n diese Woche fest, dass Krise, Rubel, Ölpreisver­fall und die Strategie, mit der der Kreml der Malaise zu entkommen gedenke, den Fragestell­ern heftig unter den Nägeln brannte. don/dpa

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany