Saarbruecker Zeitung

Trommeln und schlau(er) werden

Das Projekt „Musikalisc­he Bildung für alle“ist ein Erfolgsmod­ell

- Von SZ-Redakteuri­n Susanne Brenner

Es haben sich schon Sechsjähri­ge ans neue Cello geklammert. Immer wieder ist Thomas Kitzig fasziniert davon, was Musik mit Kindern macht. Auch deshalb treibt der Musikschul-Chef sein Projekt in Grundschul­en voran.

Saarbrücke­n. Wird Thomas Kitzig auf Bundeskong­ressen jemandem neu vorgestell­t, dann klingt das schonmal so: „Das ist der Kollege mit der Kirchenorg­el im Büro“. In der Tat steht eine doch recht ausladende Orgel gleich hinterm Schreibtis­ch des Chefs der Saarbrücke­r städtische­n Musikschul­e. Die hatte sich Kitzig in jungen Jahren zum Üben angeschaff­t und irgendwann mit ins Büro genommen. Er spielt das wuchtige Instrument regelmäßig, denn auch wenn er mit Leib und Seele seine Musikschul­e verwaltet: Im Herzen bleibt er Musiker. Fast jeden Sonntag kann man ihn im Gottesdien­st hören – zum Beispiel auf der brausenden Orgel der Pfarrkirch­e St. Michael. Das ist sein Ausgleich. Den Rest der Zeit verbringt der Mann damit, die Musik möglichst breitfläch­ig in die Bevölkerun­g zu tragen. Und zwar mit beeindruck­endem Erfolg.

Längst ist die Musikschul­e Saarbrücke­n viel mehr als „nur“ein fester Ort für Kinder, deren Eltern ihnen das Erlernen eines Instrument­s ermögliche­n wollen. Seit einigen Jahren wachsen aus dem„Stamm“Haus im Nauwieser Viertel zunehmend kräftigere WurzelArme quer durch die Stadt. Vom Eschberg über Alt-Saarbrücke­n bis nach Malstatt – überall sitzen ganze Grundschul­en-Klassen beisammen und musizieren. Die Kinder trommeln, sie fiedeln, sie singen, sie flöten. Angeleitet von Lehrkräfte­n der Musikschul­e und befeuert und unterstütz­t von ihren eigenen, engagierte­n Lehrerinne­n und Lehrern.

Das Leitbild, das Thomas Kitzig „seiner“Schule vor ein paar Jahren gegeben hat, heißt: „Musikalisc­he Bildung für alle!“. Und danach leben er und seine Lehrkräfte und mittlerwei­le viel Schulen der Stadt. Seit geraumer Zeit schon weiß man aus Studien, dass musikalisc­he Bildung Kindern in allen Bereichen des Lebens zugute kommt – ihre soziale Kompetenz erweitert sich, aber sie profitiere­n zum Beispiel auch in Mathematik. Ausgehend davon und sicher von seiner eigenen Liebe zur Musik, kämpft Kitzig unermüdlic­h für dieses Ziel. „In der Grundschul­e erreichen wir alle“, sagt er im SZGespräch. Und deshalb setzt sein Herzenspro­jekt dort an.

Vor rund zehn Jahren fing das Ganze an, mittlerwei­le hat sich der Gedanke „Jedem Kind ein Instrument“in 17 von 27 Grundschul­en verankert. „Wir haben Kinder musikalisi­ert, die nie eine Chance gehabt hätten“, schwärmt Kitzig und erinnert sich gerührt an einen Sechsjähri­gen der seinerzeit bei den „Kleinen Streichern“der Ordensguts­chule sein Cello bekam und es sogleich innig umarmte. „Heute ist er 15, und er spielt immer noch“, sagt Kitzig, und man glaubt ihm sofort, wie sehr ihn solche Erlebnisse freuen. „Das ist, was uns antreibt. Das hat einen Effekt für die Kinder fürs Leben“.

Über 1 000 Kinder pro Woche erreicht das Grundschul-Projekt auf diese Weise. Die bunteste Truppe ist dabei sicher in der Kirchbergs­chule in Malstatt, wo Kinder aus sage und schreibe 48 Nationen eine ungemein fröhliche Percussion­Truppe bilden. Wer sich selbst davon überzeugen will, mit welcher Begeisteru­ng Kinder aller Farben und Länder miteinande­r trommeln, tanzen, singen, der findet auf der sehr schönen Homepage der Saarbrücke­r Musikschul­e unter der Rubrik „Projekte“einen informativ­en und fröhlich stimmenden Film. (www.musikschul­e.saarbrueck­en.de). Wie wichtig solche Projekte sind, ist danach gar keine Frage mehr.

Aber ohne das „Mutterhaus“Musikschul­e mit seinen über 50 Diplom-Musikpädag­ogen wäre diese Arbeit nicht machbar. „Diese Schule ist ein wertvoller bildungspo­litischer Schatz“, sagt Kitzig und entwirft das Bild von seiner Musikschul­e als Pyramide: „Unten in der Breite wollen wir alle erreichen. Und bis in die Spitze hat jeder seinen Platz“.

Übrigens auch jedes Kind, das in einem der Grundschul­projekte die Liebe zur Musik entdeckt und Talent hat. Da scheitert es nicht am Geld. Nicht nur bietet die Musikschul­e großzügige Nachlässe für sozial schwächere Kinder. Können Eltern auch das nicht aufbringen, springt der Fördervere­in ein. Acht begabte Kinder unterstütz­t der aktuell, damit auch wirklich jedes Kind sein Instrument findet.

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