Razzia im Riesenpuff
Wie bei Al Capone: Behörden überführen Betreiber von Berlins größtem Bordell
Blaulicht statt Rotlicht: 900 Polizisten und Fahnder haben das größte Bordell der Hauptstadt filmreif durchsucht. Der Verdacht wiegt schwer und reicht von Rockerbanden-Verbindungen bis zu Menschenhandel.
Berlin. Jeden Tag rauschen Hunderttausende Berliner und Touristen am größten Bordell der Hauptstadt vorbei. Nicht wenige dürften sich schon gefragt haben, was in dem dreistöckigen Betonklotz vor sich geht. In der Nacht zum Donnerstag brachte die Polizei Licht ins Milieu und ging mit einer spektakulären Razzia gegen den Saunaclub „Artemis“unweit des Funkturms vor. Gemeinsam mit dem Zoll und der Steuerfahndung gelang der Staatsanwaltschaft ein Coup. Die Betreiber des über die Stadt hinaus bekannten Bordells hatten sich bisher als Beweis dafür präsentiert, dass käuflicher Sex mit der Menschenwürde sowie Recht und Gesetz vereinbar sei.
Nun scheint klar, dass etliche der im „Artemis“arbeitenden Frauen doch Zuhälter hatten – Männer aus der „Hells Angels“Szene, die die zumeist aus Osteuropa und muslimischen Ländern stammenden Frauen den Bordellbetreibern „direkt zuführten“, wie Staatsanwalt Sjors Kampstra berichtete. Keiner solle glauben, dass die Rocker nicht auch Gewalt anwendeten, um die Frauen unter Druck zu setzen.
Angestoßen wurden die Ermittlungen im Sommer 2015, als sich eine Prostituierte an die Behörden wandte. Ihr Lebensgefährte, ein Mitglied der „Hells Angels“, habe sie derart „schwer malträtiert“, dass die Frau über den Alltag im Riesenbordell ausgepackt habe. Angeblich ist das „Artemis“ein Dienstleister für selbständig arbeitende Prostituierte, die gegen feste Beträge die Räume nutzen dürfen. Nun erfuhren die Fahnder aber, dass die Frauen nur zum Schein selbständig arbeiteten. Ihnen würden nicht nur Arbeitszeiten vorgegeben, sondern auch Preise und Sexpraktiken diktiert. Die Frauen würden wie Angestellte behandelt und „maximal ausgebeutet“, sagte Kampstra. Mehr als 900 Beamte wurden in einer konzertierten Aktion für den Mittwochabend mobilisiert.
Polizisten, Zoll- und Steuerfahnder trafen bei der Festnahme der zwei Betreiber und von vier Hausdamen nicht nur 118 Prostituierte an, sondern auch mehr als 100 Freier. Die Prostituierten räumten die Zustände im „Artemis“zum großen Teil ein. Zeitgleich wurden sechs Objekte in Berlin sowie sechs weitere in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen durchsucht. Die Polizei beschlagnahmte Autos und Immobilien sowie eine sechsstellige Summe in bar – Gesamtwert 6,4 Millionen Euro. Wertgegenstände und Geld könnten später dazu dienen, Schaden zu begleichen. Allein der Rentenversicherungsträger sei „nach vorsichtigen Schätzungen um 17,5 Millionen Euro betrogen worden“, hieß es vom Zoll.
Freier Eintritt für „Hells Angels“
Hinzu kommt der Vorwurf der Steuerhinterziehung. „Die historisch Bewanderten würden sagen, wir sind auf den Spuren der Strafverfolgung von Al Capone gelandet“, sagte Staatsanwalt Andreas Behm. Der Mafia-Boss war über Steuervergehen gestolpert. Die Staatsanwälte betonten, dass es sich keinesfalls um Bagatelldelikte handle. Vielmehr hätten die Verstöße ein „System der gewalttätigen und illegalen Prostitution“gestützt, um die Frauen in Abhängigkeit zu halten. Die Hausdamen hätten das enge Regelsystem im Alltag durchgesetzt. Es wird deshalb auch wegen Menschenhandels und Zuhälterei ermittelt. Über die festgenommenen Betreiber sagte Kampstra: „Sie sind nicht die, die sich die Hände schmutzig machen – sie verwalten die Kriminalität und setzen sie um.“Für die Schmutzarbeit gab es die „Hells Angels“, die dafür freien Eintritt hatten.