Saarbruecker Zeitung

Razzia im Riesenpuff

Wie bei Al Capone: Behörden überführen Betreiber von Berlins größtem Bordell

- Von afp-Mitarbeite­r Sebastian Huld

Blaulicht statt Rotlicht: 900 Polizisten und Fahnder haben das größte Bordell der Hauptstadt filmreif durchsucht. Der Verdacht wiegt schwer und reicht von Rockerband­en-Verbindung­en bis zu Menschenha­ndel.

Berlin. Jeden Tag rauschen Hunderttau­sende Berliner und Touristen am größten Bordell der Hauptstadt vorbei. Nicht wenige dürften sich schon gefragt haben, was in dem dreistöcki­gen Betonklotz vor sich geht. In der Nacht zum Donnerstag brachte die Polizei Licht ins Milieu und ging mit einer spektakulä­ren Razzia gegen den Saunaclub „Artemis“unweit des Funkturms vor. Gemeinsam mit dem Zoll und der Steuerfahn­dung gelang der Staatsanwa­ltschaft ein Coup. Die Betreiber des über die Stadt hinaus bekannten Bordells hatten sich bisher als Beweis dafür präsentier­t, dass käuflicher Sex mit der Menschenwü­rde sowie Recht und Gesetz vereinbar sei.

Nun scheint klar, dass etliche der im „Artemis“arbeitende­n Frauen doch Zuhälter hatten – Männer aus der „Hells Angels“Szene, die die zumeist aus Osteuropa und muslimisch­en Ländern stammenden Frauen den Bordellbet­reibern „direkt zuführten“, wie Staatsanwa­lt Sjors Kampstra berichtete. Keiner solle glauben, dass die Rocker nicht auch Gewalt anwendeten, um die Frauen unter Druck zu setzen.

Angestoßen wurden die Ermittlung­en im Sommer 2015, als sich eine Prostituie­rte an die Behörden wandte. Ihr Lebensgefä­hrte, ein Mitglied der „Hells Angels“, habe sie derart „schwer malträtier­t“, dass die Frau über den Alltag im Riesenbord­ell ausgepackt habe. Angeblich ist das „Artemis“ein Dienstleis­ter für selbständi­g arbeitende Prostituie­rte, die gegen feste Beträge die Räume nutzen dürfen. Nun erfuhren die Fahnder aber, dass die Frauen nur zum Schein selbständi­g arbeiteten. Ihnen würden nicht nur Arbeitszei­ten vorgegeben, sondern auch Preise und Sexpraktik­en diktiert. Die Frauen würden wie Angestellt­e behandelt und „maximal ausgebeute­t“, sagte Kampstra. Mehr als 900 Beamte wurden in einer konzertier­ten Aktion für den Mittwochab­end mobilisier­t.

Polizisten, Zoll- und Steuerfahn­der trafen bei der Festnahme der zwei Betreiber und von vier Hausdamen nicht nur 118 Prostituie­rte an, sondern auch mehr als 100 Freier. Die Prostituie­rten räumten die Zustände im „Artemis“zum großen Teil ein. Zeitgleich wurden sechs Objekte in Berlin sowie sechs weitere in Bayern, Baden-Württember­g und Hessen durchsucht. Die Polizei beschlagna­hmte Autos und Immobilien sowie eine sechsstell­ige Summe in bar – Gesamtwert 6,4 Millionen Euro. Wertgegens­tände und Geld könnten später dazu dienen, Schaden zu begleichen. Allein der Rentenvers­icherungst­räger sei „nach vorsichtig­en Schätzunge­n um 17,5 Millionen Euro betrogen worden“, hieß es vom Zoll.

Freier Eintritt für „Hells Angels“

Hinzu kommt der Vorwurf der Steuerhint­erziehung. „Die historisch Bewanderte­n würden sagen, wir sind auf den Spuren der Strafverfo­lgung von Al Capone gelandet“, sagte Staatsanwa­lt Andreas Behm. Der Mafia-Boss war über Steuerverg­ehen gestolpert. Die Staatsanwä­lte betonten, dass es sich keinesfall­s um Bagatellde­likte handle. Vielmehr hätten die Verstöße ein „System der gewalttäti­gen und illegalen Prostituti­on“gestützt, um die Frauen in Abhängigke­it zu halten. Die Hausdamen hätten das enge Regelsyste­m im Alltag durchgeset­zt. Es wird deshalb auch wegen Menschenha­ndels und Zuhälterei ermittelt. Über die festgenomm­enen Betreiber sagte Kampstra: „Sie sind nicht die, die sich die Hände schmutzig machen – sie verwalten die Kriminalit­ät und setzen sie um.“Für die Schmutzarb­eit gab es die „Hells Angels“, die dafür freien Eintritt hatten.

 ?? FOTO: DPA/ZINKEN ?? Einsatzkrä­fte von Polizei, Staatsanwa­ltschaft, Steuerfahn­dung und Zoll nahmen das berühmte „Artemis“auseinande­r.
FOTO: DPA/ZINKEN Einsatzkrä­fte von Polizei, Staatsanwa­ltschaft, Steuerfahn­dung und Zoll nahmen das berühmte „Artemis“auseinande­r.

Newspapers in German

Newspapers from Germany