Der Niger wird zur Drehscheibe
Außenminister Steinmeier informiert sich in Afrika über Fluchtursachen
In Afrika hoffen Hunderttausende auf eine Zukunft in Europa. Eines der wichtigsten Transitländer: der Niger. Deshalb ist dort nun erstmals ein bundesdeutscher Außenminister zu Besuch. Aber Steinmeier bekommt eine Ahnung davon, dass Hilfe schwierig wird.
Niamey. Manchmal liegen Glanz und Elend in Afrika tatsächlich ganz eng beieinander. In Niamey, der Hauptstadt des Niger, des ärmsten Landes auf dem ganzen Kontinent, sind es gestern nur ein paar Minuten.
Mittags dinieren Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein französischer Kollege Jean-Marc Ayrault noch bei Präsident Mahamadou Issoufou im Palast. Eine Viertelstunde später dann der Besuch in einem Flüchtlingsheim – bei zwei Dutzend Afrikanern, die auf dem Weg nach Europa weit vor dem Ziel gestrandet sind, irgendwo in der Sahara. Jetzt sind sie auf dem Weg nach Hause. Das Geld ist weg und die Illusionen auch. Der Ni- ger hat sich zu einem der wichtigsten Durchgangsländer für Flüchtlinge entwickelt, die nach Europa kommen wollen. Von dort geht es dann weiter, durch die Wüste, an die Küsten des Mittelmeers. In diesem Jahr, so Schätzungen, werden es mehr als 120 000 Leute versuchen, aus Ländern wie Gambia, Senegal oder Mali. Aber möglicherweise werden es in diesem Jahr auch deutlich mehr. Allein in der dritten April-Woche versuchten 10 000 ihr Glück. Zudem sind etwa 200 000 Flüchtlinge permanent im Land – meistens Menschen, die vor Krieg und islamistischem Terror in den Nachbarländern geflohen sind. Bis zur Flüchtlingskrise hat sich Bonn oder Berlin für die ehemalige französische Kolonie nicht übermäßig interessiert. Bis gestern hatte der Niger in 66 Jahren Un- abhängigkeit noch nie einen Außenminister zu Besuch. Die Bande mit Frankreich sind dagegen eng. Der Niger hat enorm viel Uran, was die Franzosen für ihre Atomkraftwerke brauchen. Neuerdings aber hat man neben dem Uran eine andere Einnahmequelle entdeckt: Flüchtlinge. Agadez, 1000 Kilometer von Niamey entfernt, ist nun eine der Drehscheiben für Menschenschmuggel. Daran verdienen nicht nur die Schleuser, sondern auch Soldaten, Zöllner, Polizisten und Politiker. Nach einer kürzlich veröffentlichen Studie kassieren die Beamten pro Fahrzeug, das sie durchlassen, im Schnitt 450 USDollar. Der einzelne Flüchtling kostet demnach nochmals 30 Dollar.
Offiziell macht der Staat einiges dagegen. Der Präsident hat ein Gesetz verabschieden lassen, wonach Menschenschmugglern nun bis zu 30 Jahre Haft drohen. Aber das ist noch ziemliche Theorie. Der Beweis in der Praxis steht noch aus. dpa