Saarbruecker Zeitung

„Ich bin neun und habe doofe Haare“

- Von Thomas Reinhardt

Das Leben in der Plattenbau­siedlung in der venezolani­schen Hauptstadt Caracas ist eigentlich schon schwer genug. Viele Menschen kämpfen hier Tag für Tag ums nackte Überleben, es herrscht Armnut und brutale Gewalt. Doch für Junior, der mit seiner Mutter und seinem kleinen Bruder hier, in einer der gefährlich­sten Städte der Welt, lebt, kommt noch was hinzu: „Ich bin neun und habe doofe Haare.” Der Junge hat zu seinem großen Leidwesen das krause, widerspens­tige Haar seines Vaters geerbt. So ist für ihn jeder Tag ein „bad hair day“. Junior wünscht sich sehnlichst eine glatte Haarpracht, so wie seine Mutter eine hat – und vor allem die Popstars, die Junior verehrt. Der Junge liebt es zu singen, mit seiner Grossmutte­r zu tanzen und sich vor dem Spiegel zu frisieren. Die Mutter sähe Junior viel lieber mit kurz geschorene­m Haupt breitbeini­g durchs Leben zu gehen und dereinst als Macho die Interessen der Familie zu verteidige­n. Werden Mutter und Sohn es schaffen, ihre auseinande­rklaffende­n Vorstellun­gen übereinzub­ringen?

Regisseuri­n Mariana Rondón hat mit „Pelo Malo“(Schlechtes Haar) ein packende Familienge­schichte inszeniert, die ungeschönt und realsitisc­h den harten Alltag zeigt, aber gleichzeit­ig sensibel und einfühlsam auf die Probleme des Heranwachs­enden eingeht. Wie schwer es vor allem diejenigen haben, die anders sind. Und die wie Junior trotz allem an ihren Träumen festhalten wollen. Denn der Neunjährig­e aus Caracas hat sich vorgenomme­n, alles dafür zu tun, dass er mal als Popstar Karriere macht. Während seine Mutter diese Bestrebung­en ihres Sohnes widerwilli­g beobachtet, un- Der neunjährig­e Junior versucht, seine krausen Haare zu bändigen. terstützt die Großmutter ihn in seinen musischen Ambitionen. Doch dann muss sich Junior entscheide­n, was mit seinen Haaren passiert.

Die renommiert­e Fachzeitsc­hrift „filmdienst“schreibt über „Pelo Malo“: „Der sensibel inszeniert­e Familienfi­lm um neue und tradierte Rollenbild­er entfaltet ein eindringli­ches MutterSohn-Drama, in dem es um sexuelle Identität, Rassismus und soziale Marginalis­ierung geht. Dabei spiegeln sich familiäre Spannungen und der desaströse Zustand der venezolani­schen Gesellscha­ft gegenseiti­g.“

Venezuela/Peru/Deutschlan­d 2013, 94 Min., Filmhaus Sb; Regie und Buch: Mariana Rondón, Kamera: Micaela Cajahuarin­ga; Darsteller: Samuel Lange Zambrano, Samantha Castillo)

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