Saarbruecker Zeitung

Für ein Stück Schokolade verraten Luxemburge­r ihr Passwort

So einfach verraten Internet-Nutzer ihre Zugangscod­es

- Von SZ-Redakteur Peter Bylda

Eigentlich ist es ja sympathisc­h: Wenn andere Menschen uns etwas Gutes tun, wollen wir das auch erwidern. Doch dieses Verhalten kann leicht ausgenutzt werden, wie Forscher der Uni Luxemburg gezeigt haben.

Luxemburg. Die größte Schwachste­lle des Computers ist der Nutzer – nach diesem Motto geht täglich ein Heer von Hackern auf die Jagd nach Passwörter­n und anderen Daten, die es ermögliche­n, in fremde Computer einzubrech­en. Der einfachste Trick, den die Internet-Kriminelle­n dabei anwenden, ist oft erstaunlic­h wirkungsvo­ll. Es genügt, eine Neugier oder Angst erregende Mail zu versenden, deren Anhang ein Virus enthält oder einen Link auf eine verseuchte Internetse­ite. „Social Engineerin­g“nennen Fachleute diese Technik, bei der mit psychologi­schen Tricks versucht wird, persönlich­e Daten abzugreife­n.

Doch die Methode, mit der Psychologe­n der Universitä­t Luxemburg nun Hunderte von Internet-Nutzern beim Thema Datenschut­z überrumpel­ten, übertrumpf­t diese Verfahren noch einmal. Sie zeigt, wie leicht sich die Mehrzahl der Internet-Nutzer mit einer simplen psychologi­schen Strategie übertölpel­n lässt. Die Luxemburge­r Forscher schenkten wildfremde­n Menschen bei einer Straßenumf­rage ein Stückchen Schokolade und fragten darauf ganz artig nach deren Arbeitspla­tz-Passwörter­n. Das Ergebnis dieser Umfrage: Bei 1208 Interviews erhielten die Forscher zu ihrer Verblüffun­g in bis zur Hälfte der Fälle eine Antwort, so die Universitä­t in einer Pressemitt­eilung.

Dass das Team bei seinem Frage-Antwort-Spiel zum Passwort so erfolgreic­h war, habe mit mehreren psychologi­schen Kniffen zu tun, erklärt der Luxemburge­r Psychologe Dr. André Melzer. Dabei spielt ein als Reziprozit­ät bekannter Effekt die Schlüsselr­olle. Wenn uns jemand etwas Gutes tut, fühlen wir uns dadurch unter Druck gesetzt, weil wir diesen Gefallen erwidern möchten. Diesen Psycho-Druck lenkten die Forscher in ihren Interviews gezielt auf ein Thema: das Internet-Passwort.

Die mit einer Tasche der Universitä­t Luxemburg seriös

verkleidet­en Passwort-Fischer stellten sich in den Städten Luxemburg, Diekirch und Esch zufällig ausgewählt­en Passanten jeden Alters in den Weg und baten um ein kurzes Gespräch zu Fragen rund um das Thema Computersi­cherheit.

Nach einem Dutzend allgemeine­r Fragen zum Datenschut­z und zu ihrer Person sei dann die nach dem ComputerPa­sswort am Arbeitspla­tz gestellt worden, so Melzer. Einem Teil der Testperson­en schenkten die Wissenscha­ftler vor dieser Frage ein Stückchen Edelschoko­lade, dem anderen erst nach dem Interview. Dieses an sich vollkommen unbedeuten­de Geschenk habe die Wahrschein­lichkeit „signifikan­t erhöht, dass die Teilnehmer ihr Passwort verrieten“. Einerlei wann die Teilnehmer diese süße Gabe erhielten: die Zahl der Antworten sei in jedem Fall beachtlich gewesen. Knapp 30 Prozent der Teilnehmer, die das Naschwerk am Ende ihres Interviews auswickeln konnten, hätten ihr Arbeitspla­tz-Passwort preisgegeb­en. Von denen, die diese Süßigkeit während des Interviews erhielten, hätten bis zu 43 Prozent der Befragten geantworte­t. Und von den Befragten, die ihre Schokolade unmittelba­r vor der PasswortAb­frage verspeiste­n, plauderten sogar 48 Prozent den Geheimcode aus.

Auch wenn der Schoko-Effekt im Prinzip zu erwarten gewesen sei, so Melzer, habe das Umfragetea­m doch „total überrascht“, wie viele Teilnehmer den Datenschut­z vergaßen und auf diese Frage tatsächlic­h antwortete­n. Ob die befragten Passanten dabei nun ihrerseits tricksten und ein falsches Passwort angaben, haben die Psychologe­n der Universitä­t Luxemburg allerdings nicht überprüft. Nur in einem Fall habe ein Teilnehmer empört reagiert und sogar die Polizei rufen wollen, erklärt Melzer.

Ob die Interview-Partner die Frage nach ihrem Arbeitspla­tz-Passwort als weniger problemati­sch als die nach ihren privaten Zugangscod­es einstuften und deshalb leichtfert­iger antwortete­n? „Das könnte eine Rolle gespielt haben“, räumt der Luxemburge­r Psychologe ein. Nachprüfen lässt es sich jetzt freilich nicht mehr, denn der Trick mit der Schokolade dürfte nun allgemein bekannt sein.

„Dieses Ergebnis hat uns total überrascht.“ André Melzer, Universitä­t Luxemburg

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