Saarbrücker Behinderte wollen keine Bittsteller sein
Frustration über Verwaltung beim barrierefreien Bauen
Etwa hundert Menschen mit Behinderung haben am Mittwoch auf der Straße in Saarbrücken für Barrierefreiheit demonstriert. Wenige Meter weiter frustrierte sie der Bauausschuss mit einem Beschluss.
Saarbrücken. „Wer Barrieren plant, baut oder vorhandene Barrieren nicht beseitigt, verstößt gegen geltendes Recht“, so die zentrale Aussage von Behindertenverbänden, die sich am vergangenen Mittwoch in der Saarbrücker Innenstadt zu einer Kundgebung einfanden.
An dem „Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung" erneuerten etwa hundert Teilnehmer ihre Forderung nach barrierefreien öffentlichen Bauten und Wegen, um selbstbestimmt und ohne fremde Hilfe am Leben teilhaben zu können. Wobei sie die interessierten Passanten gern darauf hinwiesen, dass Barrierefreiheit auch von Menschen mit Kinderwagen und Rollator oder Reisenden mit Rollkoffer als Wohltat empfunden wird.
Der Landesverband Selbsthilfe Körperbehinderter Saarland kritisierte vor allem, dass Ehrenamtliche den gut bezahlten Ingenieuren und Planern in den öffentlichen Verwaltungen erklären müssten, dass und wie sie barrierefrei zu bauen haben. Häufig sei es auch so, dass die Stellungnahmen der Behindertenvertreter erst nach dem Bau eingeholt würden und dann, quasi als Reparturtrupp, in der Pflicht stünden, Mängel zu benennen und Alternativen vorzuschlagen. Kaum hatte Vorstandsmitglied Dunja Fuhrmann am Mittwoch gefordert, dass das komplett und schnell anders werden müsse, wurde sie vom fast parallel tagenden Bauausschuss des Stadtrates frustriert. Der beschloss nämlich das Bauprogramm für die vollständige Anbindung des HTWParkhauses an die Hohenzollernstraße – einstimmig und ohne sich mit den Belangen der Behindertervertreter auseinandergesetzt zu haben.
Dabei hatte das die SPD im Bezirksrat Mitte noch getan. In der Vorlage des Baudezernats an den Ausschuss heißt es zwar richtig, dass die Planung dem Behindertenbeirat zur Stellungnahme vorgelegt worden war. Und dass die Gesamtbehindertenbeauftragte Fuhrmann am 25. Februar zur Planung Stellung genommen hatte. Was nicht drin stand: Fuhrmann sah sich aufgrund der jüngsten Bezirksratssitzung Ende April veranlasst, ein weiteres Mal schriftlich eine fachliche Stellungnahme abzugeben, da ihr die vorgesehene Höhe der Bordsteine nicht korrekt vorkam. Wie sie der Saarbrücker Zeitung versicherte, bekam sie auf ihr Schreiben keine Antwort, sodass auch nicht absehbar sei, ob ihre Eingabe beim Bau berücksichtigt werde.
Wie auf der Kundgebung zu erfahren war, spielen gleich mehrere ehrenamtliche Behindertenvertreter der Landeshauptstadt ernsthaft mit dem Gedanken, ihre Ämter hinzuwerfen, weil es sie frustriert, in Angelegenheiten der Mitbestimmung oder bei Anhörungen übergangen oder vergessen zu werden. Demnächst soll in einem Gespräch mit der Oberbürgermeisterin ergründet werden, ob Besserung in Aussicht steht.