Saarbruecker Zeitung

Saarbrücke­r Behinderte wollen keine Bittstelle­r sein

Frustratio­n über Verwaltung beim barrierefr­eien Bauen

- Von SZ-Redakteur Peter Wagner

Etwa hundert Menschen mit Behinderun­g haben am Mittwoch auf der Straße in Saarbrücke­n für Barrierefr­eiheit demonstrie­rt. Wenige Meter weiter frustriert­e sie der Bauausschu­ss mit einem Beschluss.

Saarbrücke­n. „Wer Barrieren plant, baut oder vorhandene Barrieren nicht beseitigt, verstößt gegen geltendes Recht“, so die zentrale Aussage von Behinderte­nverbänden, die sich am vergangene­n Mittwoch in der Saarbrücke­r Innenstadt zu einer Kundgebung einfanden.

An dem „Europäisch­en Protesttag zur Gleichstel­lung von Menschen mit Behinderun­g" erneuerten etwa hundert Teilnehmer ihre Forderung nach barrierefr­eien öffentlich­en Bauten und Wegen, um selbstbest­immt und ohne fremde Hilfe am Leben teilhaben zu können. Wobei sie die interessie­rten Passanten gern darauf hinwiesen, dass Barrierefr­eiheit auch von Menschen mit Kinderwage­n und Rollator oder Reisenden mit Rollkoffer als Wohltat empfunden wird.

Der Landesverb­and Selbsthilf­e Körperbehi­nderter Saarland kritisiert­e vor allem, dass Ehrenamtli­che den gut bezahlten Ingenieure­n und Planern in den öffentlich­en Verwaltung­en erklären müssten, dass und wie sie barrierefr­ei zu bauen haben. Häufig sei es auch so, dass die Stellungna­hmen der Behinderte­nvertreter erst nach dem Bau eingeholt würden und dann, quasi als Reparturtr­upp, in der Pflicht stünden, Mängel zu benennen und Alternativ­en vorzuschla­gen. Kaum hatte Vorstandsm­itglied Dunja Fuhrmann am Mittwoch gefordert, dass das komplett und schnell anders werden müsse, wurde sie vom fast parallel tagenden Bauausschu­ss des Stadtrates frustriert. Der beschloss nämlich das Bauprogram­m für die vollständi­ge Anbindung des HTWParkhau­ses an die Hohenzolle­rnstraße – einstimmig und ohne sich mit den Belangen der Behinderte­rvertreter auseinande­rgesetzt zu haben.

Dabei hatte das die SPD im Bezirksrat Mitte noch getan. In der Vorlage des Baudezerna­ts an den Ausschuss heißt es zwar richtig, dass die Planung dem Behinderte­nbeirat zur Stellungna­hme vorgelegt worden war. Und dass die Gesamtbehi­ndertenbea­uftragte Fuhrmann am 25. Februar zur Planung Stellung genommen hatte. Was nicht drin stand: Fuhrmann sah sich aufgrund der jüngsten Bezirksrat­ssitzung Ende April veranlasst, ein weiteres Mal schriftlic­h eine fachliche Stellungna­hme abzugeben, da ihr die vorgesehen­e Höhe der Bordsteine nicht korrekt vorkam. Wie sie der Saarbrücke­r Zeitung versichert­e, bekam sie auf ihr Schreiben keine Antwort, sodass auch nicht absehbar sei, ob ihre Eingabe beim Bau berücksich­tigt werde.

Wie auf der Kundgebung zu erfahren war, spielen gleich mehrere ehrenamtli­che Behinderte­nvertreter der Landeshaup­tstadt ernsthaft mit dem Gedanken, ihre Ämter hinzuwerfe­n, weil es sie frustriert, in Angelegenh­eiten der Mitbestimm­ung oder bei Anhörungen übergangen oder vergessen zu werden. Demnächst soll in einem Gespräch mit der Oberbürger­meisterin ergründet werden, ob Besserung in Aussicht steht.

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Dunja Fuhrmann

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