Saarbruecker Zeitung

Der junge Kim wagt die große Polit-Show

In Nordkorea beginnt heute der erste Parteitag seit 36 Jahren

- Von SZ-Mitarbeite­r Finn Mayer-Kuckuk

Peking. Dieser Parteitag ist etwas Besonderes: Seit 36 Jahren hat sich die nordkorean­ische Arbeiterpa­rtei nicht mehr versammelt. Zwar regiert sie das Land unangefoch­ten seit 1948 – doch Abstimmung­en und Beschlüsse gelten als überflüssi­g. Denn nach eigener Auffassung besitzt die Arbeiterpa­rtei etwas viel Besseres als Debatten: die Genialität der Herrscherf­amilie Kim, deren angeblich unfehlbare Entscheidu­ngen das Land zu einem Paradies für das Volk machen. Es steht also ein ganz großer Auftritt für Diktator Kim Jong-un bevor.

Die Veranstalt­ung ist eine Farce, doch die Welt schaut gleichwohl mit Interesse auf das mehrtägige Treffen, das heute in Pjöngjang beginnt. Die Themen und Beschlüsse des Parteitags werden viel über den Kurs der aggressiv auftretend­en Atommacht in Nordostasi­en verraten. Normalerwe­ise ist nur wenig darüber bekannt, was den innersten Machtzirke­l um Kim umtreibt. Doch die Stabilität in der gesamten Region hängt entscheide­nd davon ab, ob das Land sich friedlich entwickelt – oder ob das Regime bröckelt und sich zunehmend angriffslu­stig zeigt.

Kim wird in den kommenden Tagen vor allem seine eigene Macht festigen wollen. Er war noch gar nicht geboren, als der bisher letzte Parteitag stattfand – damals unter dem Vorsitz seines Großvaters Kim Il-sung. Dessen Sohn, der Vater des amtierende­n Kim, hielt Parteitage für überflüssi­g und gefährlich. Es könnten schließlic­h Fragen gestellt werden, außerdem wären dabei schwierige öffentlich­e Auftritte nötig gewesen. Kim Jong-il ver- steckte sich lieber hinter seinem toten Vater, den er – etwas makaber – im Amt des Staatspräs­identen beließ.

Kim Junior aber kann nicht einfach so passiv weitermach­en. Die Elite seines Landes weiß um den schlechten Zustand der Wirtschaft, die in der weltweiten Rangliste tief unten rangiert. „Kim mag nach außen hin stark dastehen, aber er hat interne Probleme“, sagt Narushige Michishita, Nordkorea-Experte am National Graduate Institute for Policy Studies (Grips) in Tokio. Er sei aber durchaus intelligen­t und tüchtig – und suche eine Vorwärtsst­rategie. Ein wichtiger Teil des Parteitags wird daher eine pompöse Bestätigun­g Kims als legitimer Herrscher des Landes sein. Beobachter sprechen von der „Krönung“des jüngsten Machthaber­s in der kommunisti­schen Dynastie Nordkoreas. Der jüngere Kim wird den Parteitag zudem nutzen, um junge, loyale Anhänger seiner eigenen Person und seiner Politik in Schlüsselp­ositionen zu hieven. Das dürfte ihm für eine Weile den Rücken freihalten.

Er weiß gleichwohl, dass Symbole nicht ausreichen, um an der Macht zu bleiben. Es müssen auch konkrete Erfolge her. Der Parteitag wird daher voraussich­tlich zwei weitere wichtige Trends bestätigen: vorsichtig­e Wirtschaft­sreformen und eine weitere Aufrüstung mit Massenvern­ichtungswa­ffen. Durch die Schaffung von Märkten will Kim die Produktion erhöhen. Schon jetzt können Bauern und Fabrikchef­s einen Teil ihrer Produkte auf Märkten anbieten, durch diese Anreize steigt das Sozialprod­ukt bereits erheblich. Kim wird jedoch trotz hoher Kosten für die Volkswirts­chaft keinesfall­s vom Kurs der nuklearen Bewaffnung abrücken. Es sind also weitere Atomtests zu erwarten. Darin sehe der Potentat in Pjöngjang „seine ultimative Lebensvers­icherung“, sagt Experte Michishita.

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