Saarbruecker Zeitung

Freispruch für Ex-Schwerverb­recher

Walter H. trotz Verstoß gegen gerichtlic­h verhängtes Alkoholver­bot nicht verurteilt

- Von SZ-Redakteur Wolfgang Ihl

Er galt zeitweise als einer der gefährlich­sten Männer im Saarland: Walter H. 38 Jahre saß er in Haft oder der forensisch­en Psychiatri­e. Nach seiner Entlassung verhängte die Justiz ein absolutes Alkoholver­bot für ihn. Aber H. kann trotz eines Verstoßes aus formellen Gründen nicht bestraft werden.

Saarbrücke­n. Der frühere Gewaltverb­recher Walter H. (67) muss nicht ins Gefängnis, weil er im September 2014 in einer Kneipe einen Wodka Lemon getrunken und damit gegen ein gerichtlic­h verhängtes Alkoholver­bot verstoßen haben soll. Das Oberlandes­gericht des Saarlandes hat ihn vom Vorwurf des Verstoßes gegen Weisungen der Führungsau­fsicht freigespro­chen. Damit kippten die Richter in dritter und letzter Instanz zwei frühere Urteile des Amtsgerich­ts und des Landgerich­ts. Sie hatten H. im Juli und im November 2015 wegen Verstoßes gegen das Alkoholver­bot jeweils zu einer Haftstrafe von sechs Mona- ten verurteilt. Walter H. galt zeitweise als einer der gefährlich­sten Männer im Saarland und wurde in Freiheit rund um die Uhr von Polizisten überwacht. Er hatte seit Ende der 60er Jahre vier Frauen tätlich angegriffe­n, eine davon vergewalti­gt und ermordet. Bei allen diesen Taten mit sexuellem Bezug stand er unter Einfluss von Alkohol. Insgesamt verbrachte H. rund 38 Jahre im Gefängnis oder der geschlosse­nen forensisch­en Psychiatri­e.

Gefahr des Kontrollve­rlusts Auf Anordnung des Bundesverf­assungsger­ichts wurde er 2013 in Freiheit entlassen. Seitdem steht er unter „Führungsau­fsicht“der Justiz und muss eine Reihe von Vorgaben für sein Leben beachten. Dabei spielt das absolute Alkoholver­bot eine wesentlich­e Rolle. Unter dem Einfluss von Alkohol bestehe nämlich die Gefahr eines schleichen­den Kontrollve­rlustes, so ein psychiatri­scher Gutachter. Wenn in dieser Situation nicht engmaschig kontrollie­rt und bei Bedarf sofort reagiert werde, be- stehe die Gefahr, dass H. wieder straffälli­g wird. Zunächst aber wohl in Form weniger schwerer Delikte wie „Grabschen“gegenüber Frauen, so der Gutachter.

Ein Verstoß gegen solche Auflagen der Führungsau­fsicht ist deshalb strafbar. Demgemäß wurde H. auch in erster und zweiter Instanz zu einer sechsmonat­igen Haftstrafe verurteilt. Diese Urteile können nach Feststellu­ng des Oberlandes­gerichts aber keinen Bestand haben. Das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe habe nämlich zwischenze­itlich im August 2015 die Anforderun­gen an die Strafbarke­it solcher Verstöße deutlich erhöht. Demnach muss dem betroffene­n Straftäter in der schriftlic­hen Anordnung der Führungsau­fsicht deutlich und unmissvers­tändlich klar gemacht werden, dass er sich bei einem Verstoß gegen Weisungen strafbar macht. Diese Anforderun­g könne der von 2013 stammende schriftlic­he Beschluss zur Führungsau­fsicht im Fall Walter H. nicht erfüllen. Deshalb müsse er freigespro­chen werden.

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