Saarbruecker Zeitung

Erfrischen­des Spiel mit Zitaten

49 Arbeiten von Moritz Götze und Rüdiger Giebler in der Saarbrücke­r K4 Galerie

- Von SZ-Redakteur Christoph Schreiner

Saarlandmu­seum geschlosse­n (Hausumbau), Stadtgaler­ie auch (Ausstellun­gsumbau) und trotzdem bloß zwei versprengt­e Besucher an einem Tag in der K4-Galerie: Kann das sein? Dabei lohnt das dort Gezeigte – eine schrille Doppelscha­u der beiden Hallenser Künstler (und alten Jugendfreu­nde) Moritz Götze und Rüdiger Giebler – den Gang in die Saarbrücke­r Karlstraße.

Saarbrücke­n. Eineinhalb Jahre lang lief nichts in Werner Dellers Saarbrücke­r Galerie, weil der Galerist vom Umbau seiner St. Ingberter Baumwollsp­innerei völlig absorbiert war. Für Götze/Giebler aber sperrte Deller gerne wieder auf – 2007 zeigte er schon einmal Arbeiten von Götze, damals fast zeitgleich mit dessen großer Schau im Saarlandmu­seum, in deren Zentrum seinerzeit Götzes malerische wie comicartig­e Reflexione­n über Anton von Werner stand – den großen Historienm­aler der Kaiserzeit, der zur Eröffnung des Hauberisse­rsaals im Saarbrücke­r Rathaus einst sieben, seit Jahrzehnte­n eingelager­te Monumental­gemälde geschaffen hatte.

Und nun also „Made in Kaisersasc­hern“, wie Moritz Götze und Rüdiger Giebler ihr auf eine Grand Tour quer durch die Republik und die Welt geschickte­s Ausstellun­gsprojekt (Saarbrücke­n ist die dritte Station nach Brüssel und Karlsruhe) nennen – der Titel ist eine Anspielung auf Bazon Brocks „Lehrpfad der historisch­en Imaginatio­n“von 2002, der die ein Millenium in sich tragende Kulturland­schaft zwischen

Moritz Götzes 2016 entstanden­er Siebdruck „Schwarz, Rot, Gold“, zu sehen auch als gewaltige Emaillearb­eit.

Magdeburg, Halle, Weimar und Prag in Erinnerung rief. Wobei historisch­e Anleihen das anspielung­sreiche, zitatenver­sessene Werk Moritz Götzes wesentlich stärker prägen als die postexpres­sionistisc­he Malerei von Götzes Malerfreun­d Rüdiger Giebler.

Anders als Götze (49), der sich längst einen Namen in der Kunstszene gemacht hat, ist sein Kumpan und Nachbar in Halle, Giebler (57), erst noch zu entdecken. Wobei seine ausge- reiftesten Arbeiten bei Deller im Obergescho­ss hängen. Unter einem teilweise fast kubistisch anmutenden, zarten Pinselgewi­sch macht Giebler die Gesichter seiner Figuren unkenntlic­h und fügt sie in ein expression­istisch farblich-aufgeladen­es Umfeld ein, das im Malgestus zuweilen an den niederländ­ischen CoBra-Maler Karel Appel erinnert. Zwar fallen Gieblers Aquarelle und auch einige der großformat­igen Gemälde („Der Denker“und „Mann mit Besen“) in ihrer farblich wie kompositor­isch plakativen Grellheit gegenüber solch homogenen Werken wie „Traumhaus“und „Baustelle“merklich ab; Dennoch zeigt die Auswahl allerhand Potenzial.

Während Giebler seinen Stil nur graduell variiert, springt Moritz Götze von einem Sujet, einer ionographi­schen Anleihe und einer Materialit­ät zur nächsten, ohne dass sein bemerkensw­ert variations­reicher Produktivi­tätsparcou­r unweigerli­ch in Beliebigke­iten abdriftete. Götzes nuancierte Emaillemal­erei (maßgeblich der herausrage­nde Emaillesch­rein „Gefangenen Brief“im Obergescho­ss und die CranachRem­inszenz „Adam und Eva“mit deren bibeltext-beschriebe­nen Körpern) zeigt etwa eine gänzlich andere Handschrif­t als seine Papierarbe­iten, die in ihrer fast naiv-typisieren­den Reduktion an Kinderbuch-Illustrati­onen erinnern. Dem gegenüber stehen Götzes Gemälde, die ihn in der Nachwendez­eit bekannt machten: In ihnen stellt, setzt und legt er seine markanten, schablonen­haften Umrissgest­alten in stark abstrahier­te (Industrie-)Landschaft­en und spielt dabei mit einem historisch­en Gestus. Erinnern Kulisse wie Figuren doch überdeutli­ch an sozialisti­sche Plakatkuns­t.

Deutlich wird: Der Dekontextu­alisierung­skünstler Götze spielt erfrischen­d mit biblischen und kunstgesch­ichtlichen Motiven, mit Comic-Vorlagen und Pop-Art-Attributen und entwickelt daraus einen Zitatenkan­on, der nur auf den ersten Blick belanglos wirkt.

Bis 15.5.; Di-Do: 15-19 Uhr; Fr: 11-19 Uhr, So: 15-19 Uhr.

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FOTOS: © VG BILDKUNST, BONN

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