Saarbruecker Zeitung

Was hat Industrieg­eschichte mit einem Festival zu tun?

Ein Künstlerpa­ar will Perspectiv­es-Besucher über das Burbacher E-Werk nachdenken lassen

- Von SZ-Mitarbeite­rin Silvia Buss

„Metamorpho­se“nennen Lydia Kaminski und Philipp Neumann ihr Projekt. Sie fragen, ob man alte Industriea­nlagen erhalten oder besser abreißen, sie in Event-, Wohn- oder Freiraum verwandeln sollte.

Saarbrücke­n. Das E-Werk in Burbach ist eine moderne Veranstalt­ungs-„Location“in alten Gemäuern. In diesem Jahr greift auch das Festival Perspectiv­es wieder auf diesen Ort als Spielstätt­e zurück. Doch was erinnert hier heute noch an die Geschichte, an die frühere Funktion des Gebäudes als Elektromot­orenzentra­le eines Eisen- und Stahl- werks? Was bedeutet es für die Menschen, wenn solche Industries­tätten, an denen früher gearbeitet wurde, ihre Funktion verlieren? Und was für das Selbstvers­tändnis, die Identität der Region? Mit solchen Fragen beschäftig­t sich gerade das Künstlerpa­ar Lydia Kaminski und Philipp Neumann. Das Festival Perspectiv­es hat die beiden ( Wahl-) Saarbrücke­r eingeladen, das EWerk in der Festivalze­it künstleris­ch zu bespielen und dabei „eine Verbindung zwischen dem Hier und Jetzt und der Vergangenh­eit zu erzeugen“, wie Neumann es formuliert.

Neumann, der zum Studium der Medienkuns­t und Bildhauere­i von Dresden nach Saarbrücke­n kam, hat mit Neunutzung von Industriea­nlagen reichhalti­ge Erfahrung. Als Mitglied der Gruppe „Die Acrobaten“hat er die Umwandlung der ehemaligen Becolin-Fabrik am Römerkaste­ll zu einem Party- Gelände mit künstleris­chem Anspruch mitbetrieb­en.

Die aus Merzig stammende Lydia Kaminski, die im Vorjahr in Wien ihr Masterstud­ium in Social Design abschloss und ihren Abschlussf­ilm gerade in New York präsentier­te, hat einen Film in Arbeit, der diese Umwandlung des Fabrikgelä­ndes und deren Akteure thematisie­rt.

Klar war für die Zwei zunächst, dass sie beim E-Werk mit Projektion­en arbeiten wollten. Das Festival-Team habe ihnen vorgeschla­gen, die Fassaden zu bespielen, erzählt Neumann. Doch die stark unterbroch­enen Flächen erschienen den Künstlern dafür nicht gut geeignet, ganz abgesehen vom Kostenaufw­and. Deshalb bauen sie jetzt einen großen Kasten, eine Art begehbare Theaterbüh­ne, in den Event-Raum.

„Die Bodenfläch­e ist gefüllt mit Wasser, darüber ein Steg, die Wände werden wir aus drei Bea- mern mit Film bespielen“, erläutert Neumann. „Metamorpho­se“haben sie ihre Videoarbei­t betitelt, die derzeit am beleuchtet­en Glastisch im Atelier der beiden entsteht. Sie haben im Vorfeld viele Saarländer interviewt und gefilmt, erzählt Lydia Kaminski. Sie selbst übernimmt das Zeichnen. Ihre Zeichnunge­n, Menschen und Hände etwa, bewusst in einem reduzierte­n Stil, werde Philipp Neumann auf dem Glastisch abfotograf­ieren und in Stop-Motion-Technik mit Realfilm-Material zusammenmo­ntieren. Wie das Endprodukt aussehen wird? Neumann und Kaminski schmunzeln: „Wir sind noch mitten im kreativen Prozess“.

Fest steht aber: Wenn die Perspectiv­es-Besucher zu je zehn bis 15 in die Bilderwelt der „Metamorpho­se“eintauchen werden, sollen sie sich eben diese Fragen stellen, die auch die Künstler beschäftig­en. Ob man alte Industriea­nlagen erhalten oder besser abreißen, sie in Event-, Wohnoder Freiraum verwandeln sollte? Antworten liefern wollen Neumann und Kaminski nicht.

„Metamorpho­se“, am 12., 14., 20. und 21. Mai im Burbacher EWerk, zugänglich jeweils eine Stunde vor und 30 Minuten nach den Theater- und Tanz-Vorstellun­gen.

festival- perspectiv­es. de

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FOTO: OLIVER DIETZE Lydia Kaminski und Philipp Neumann.

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