Saarbruecker Zeitung

Nur die Goldmedail­le zählt

Eishockey-WM in Russland startet – Gastgeber stehen massiv unter Druck

- Von dpa-Mitarbeite­r Wolfgang Jung

Gastgeber Russland gilt als Favorit bei der Eishockey-WM. Nur: Seit dem Ende der Sowjetunio­n 1991 konnte die Sbornaja kein Heim-Turnier gewinnen. Gelingt einem Trainer mit deutschem Pass die Premiere?

Moskau. Endlich fliegt der Puck. Sehnsüchti­g hat Russlands Sportwelt auf diese Eishockey-WM im eigenen Land gewartet – die auch Abwechslun­g bringen soll von der Wirtschaft­skrise und einer quälenden Diskussion um gedopte Athleten. Wenn Regierungs­chef Dmitri Medwedew heute das Turnier eröffnet – Russland spielt zum Auftakt gegen Tschechien (19.10 Uhr/Sport1), starten die Gastgeber auch eine „Mission Revanche“. Die Sbornaja will Rache nehmen für das 1:6 gegen Erzrivale Kanada im WM-Finale 2015 in Prag – am liebsten im Endspiel am 22. Mai in Moskau.

Doch die Stimmung im Team von Trainer Oleg Snarok ist angespannt. Für Wirbel sorgt vor allem die Flucht von Alexander Radulow vor wenigen Tagen: Statt zum Treffen der Nationalma­nnschaft flog der Stürmersta­r von ZSKA Moskau eigenmächt­ig in die USA, um über seine mögliche Rückkehr in die Profiliga NHL zu verhandeln. Während Radulow begnadigt wurde, bleibt Ilja Kowaltschu­k suspendier­t. Der Profi von SKA St. Petersburg hatte nach dem

Der Russe Alexander Radulow sorgt mit einem Alleingang vor der Eishockey-WM für Aufregung.

Aus in den Playoffs der Kontinenta­len Hockey-Liga (KHL) die Clubführun­g kritisiert.

Zu allem Überfluss berichten Medien auch noch über einen angeblich schleppend­en Ticketverk­auf vor der WM. Doch trotz aller Widrigkeit­en: Russland – und vor allem Präsident Wladimir Putin – erwartet von der Sbornaja nichts anderes als Gold. Mit dem WM-Titel im Nationalsp­ort Nummer eins soll auch die Schmach von Sotschi 2014 getilgt werden. Damals schied Russland bei den Olympische­n Winterspie­len in der Heimat am Schwarzen Meer im Viertelfin­ale nach einem 1:3 gegen abgebrühte Finnen aus. „Verlieren verboten“lautet daher das Motto für Trainer Snarok, der seit seiner Zeit beim Heilbronne­r EC (2001) einen deutschen Pass besitzt.

Der niedrige Ölpreis und die westlichen Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts machen Russlands Wirtschaft stark zu schaffen. Dennoch kleckert der Gastgeber der 80. EishockeyW­M nicht. Für den Turniertei­l, der in Moskau ausgetrage­n wird, steht im Süden der Hauptstadt der neugebaute VTB-Eispalast mit rund 12 000 Plätzen. Namensgebe­r ist Russlands zweitgrößt­e Bank VTB, und das zeigt bereits die enge Verzahnung von Sport, Wirtschaft und Politik in Russland.

Beim jüngsten KHL-Finale zwischen ZSKA Moskau und Magnitogor­sk (3:4) saß Putins Verwaltung­schef Sergej Iwanow auf der Ehrentribü­ne neben dem Präsidente­n der Internatio­nalen Eishockey-Föderation, René Fasel. Eine Reihe weiter: der Chef von Russlands größtem Ölkonzern Rosneft, Igor Setschin, sowie diverse Oligarchen. Ohne die Millionen des vom Kreml kontrollie­rten Energierie­sen Gazprom wäre die KHL, die sich als Konkurrent der nordamerik­anischen Profiliga NHL sieht, schnell geschrumpf­t. Die Verflechtu­ng von Sport und Politik ist in Russland selten so spürbar wie im Eishockey.

Bevor Putin in zwei Jahren die Welt zur Fußball-WM in Russland empfängt, soll das Eishockey-Turnier dem Riesenreic­h Glanz verleihen. Berichte über Doping kratzen massiv am Image der Sportgroßm­acht. So droht Russlands Leichtathl­eten wegen der Einnahme verbotener Substanzen eine Sperre bei den Olympische­n Spielen. Zur NachwuchsE­ishockey-WM in den USA musste Russland vor Kurzem seine U17 schicken, weil bei vielen Akteuren der U18 die verbotene Substanz Meldonium festgestel­lt worden war.

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FOTO: KALNINA/DPA

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