Saarbruecker Zeitung

Papst fordert Rückkehr zu den Idealen Europas

Franziskus erhält Karlspreis – Merkel lobt ermutigend­e Rede des Kirchenobe­rhaupts

- afp/dpa/kna

Für seine Verdienste um Europa ist Papst Franziskus gestern mit dem renommiert­en Karlspreis ausgezeich­net worden. Er nutzte die Gelegenhei­t, um dem Kontinent ins Gewissen zu reden.

Rom. Papst Franziskus hat die Europäisch­e Union mit eindringli­chen Worten zu einer Besinnung auf die Ideale ihrer Gründervät­er aufgeforde­rt. Anlässlich der Verleihung des Karlspreis­es der Stadt Aachen gestern im Vatikan appelliert­e das Oberhaupt der Katholiken an eine Kultur des Dialogs und der Integratio­n. „Was ist mit Dir los, humanistis­ches Europa, Verfechter­in der Menschenre­chte, der Demokratie und der Freiheit?“, fragte der Papst bei der Zeremonie, an der auch Kanzlerin Angela Merkel und hohe EU-Vertreter teilnahmen.

Franziskus sagte, er träume „von einem Europa, in dem das Migrantsei­n kein Verbrechen ist“. Auch wünsche er sich ein Europa, „von dem man nicht sagen kann, dass sein Einsatz für die Menschenre­chte an letzter Stelle seiner Visionen stand“. Der Papst verwies auf die großen Europäer Schuman und Adenauer, die auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs „ein Bollwerk des Friedens“geschaffen hätten. Inzwischen sei der Kontinent müde und resigniert, die „großen Ideale“hätten offenbar „ihre Anziehungs­kraft verloren“. Der Papst appelliert­e, allen Menschen eine würdige Arbeit zu geben – vor allem der Jugend, damit sich diese nicht abwende. Er forderte die Suche nach neuen Wirtschaft­smodellen, die dem Wohl der Menschen dienten und nicht den Profit in den Mittelpunk­t stellten. Im Zusammenha­ng mit der Flüchtling­skrise kritisiert­e der 79-Jährige, dass eine Kultur der Abschottun­g an die Stelle der Dialogbere­itschaft getreten sei.

„Klare Botschaft“

Merkel würdigte die Rede des Papstes als „Ermutigung“und „klare Botschaft“. Er habe die Europäer aufgeforde­rt, drei Dinge zu beachten: „Die Fähigkeit zum Dialog, die Fähigkeit zur Integratio­n und die Fähigkeit, etwas hervorzubr­ingen.“EU-Kommission­schef JeanClaude Juncker sagte, Franziskus lebe vor, dass Solidaritä­t und Nächstenli­ebe „nicht nur wohlklinge­nde Worte“seien. Europa sei „mehr als eine ökonomisch­e Zweckgemei­nschaft“, in der man an einem Tag Vollzeiteu­ropäer sei, weil man etwas bekomme, und an einem Tag Teilzeiteu­ropäer, weil man etwas abgeben solle.

Der Vorsitzend­e der Bischofsko­nferenz, Kardinal Reinhard Marx, lobte den Optimismus, mit dem Franziskus „uns Mut macht, Europa, ja die Welt zu verändern“. Besonders gelte das für die Aufnahme von Menschen in Not. „Es reicht nicht, Flüchtling­en ein Dach über dem Kopf zu geben – wir müssen sie in unseren Herzen aufnehmen.“

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FOTO: IMAGO Kurz vor der Verleihung des Karlspreis­es hatte Papst Franziskus Kanzlerin Angela Merkel zu einer Privataudi­enz empfangen.

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