Saarbruecker Zeitung

„Da waren plötzlich überall Finger an mir, fremde Hände.“

- Von SZ-Korrespond­ent Stefan Vetter

der Bahnhofsvo­rhalle auf die Anzeigetaf­el geguckt. Plötzlich war ich von einer starken Traube von Herren umgeben“, schildert sie. Sie sei eingekeilt gewesen und betatscht worden. Sie habe das als sehr bedrohlich empfunden. „Da waren plötzlich überall Finger an mir, fremde Hände“, erzählt die Frau.

„Ging es den Tätern Ihrer Meinung nach um die sexuelle Berührung, oder war das ein Ablenkungs­manöver, um Sie bestehlen zu können?“, fragt der Richter. „Das kann ich nicht beantworte­n“, sagt die Zeugin. „Kommt Ihnen einer der beiden Angeklagte­n bekannt vor?“Die 54Jährige schaut dort hin, schweigt sekundenla­ng, dann: „Nein.“

Bei der Polizei hatte man ihr vor einiger Zeit Fotos von verschiede­nen Personen vorgelegt, darunter Eine Zeugin vor Gericht ein Bild des 26-Jährigen. Damals hatte die Frau ihn noch „mit einer Wahrschein­lichkeit von etwa 70 Prozent“identifizi­ert. Jetzt nicht einmal mehr das. Der Vorwurf der sexuellen Nötigung sei nicht nachzuweis­en, räumt die Staatsanwä­ltin daraufhin in ihrem Plädoyer ein.

Und was ist mit dem Handy, das der Frau an Silvester gestohlen und später bei dem Angeklagte­n gefunden wurde? Der Verteidige­r erläutert, sein Mandant habe das Mobiltelef­on nach Silvester für 40 Euro in einem arabischen Café von einem Tunesier gekauft, dessen Namen er nicht kenne. Die Frau hat das Fehlen des Handys erst bemerkt, nachdem sie aus dem Gewühl entkommen war.

Ähnlich verläuft der Prozess gegen einen zweiten Angeklagte­n, dem Raub vorgeworfe­n wird, weil er einer Frau ihr Handy gestohlen haben soll. Was bleibt? Die beiden Angeklagte­n hatten im vergangene­n Dezember eine Autoscheib­e eingeschla­gen und versucht, Wertgegens­tände aus dem Wagen zu stehlen. Dabei wurden sie auf frischer Tat ertappt, vor Gericht gestanden sie die Tat. Am Ende der Verhandlun­g steht für beide Männer eine Freiheitss­trafe von sechs Monaten auf Bewährung

MEINUNG

Die Opfer sexueller Übergriffe in der Kölner Silvestern­acht müssen sich erneut verletzt und gedemütigt fühlen. Mangels Beweisen wurde der Vorwurf der sexuellen Nötigung gegen einen Algerier fallen gelassen. Tatsächlic­h ist die Beweislage bei Sexualdeli­kten oft schwierig. Vor allem dann, wenn der Angeklagte die Tat bestreitet. Im Kölner Fall konnten die Behörden zwar auch auf Video-Material wegen Hehlerei und gemeinscha­ftlichen versuchten Diebstahls. Da gegen die Männer, die in Untersuchu­ngshaft saßen, ein Abschiebeh­aftbefehl vorliegt, müssen sie allerdings erst mal ins Gefängnis zurück.

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