Saarbruecker Zeitung

Labour-Party schrammt an Desaster vorbei

War die britische Regionalwa­hl ein Gradmesser fürs EU-Referendum? – Erstmals Muslim im Londoner Rathaus

- Von SZ-Korrespond­entin Katrin Pribyl

Labour-Chef Jeremy Corbyn kann nach den britischen Regionalwa­hlen aufatmen. Doch seine Partei steht weiter unter Druck. In Schottland verliert sie an Boden. Anderswo bejubelt die EUfeindlic­he Ukip einen Erfolg.

London. Die Worte klangen erleichter­t und ganz so, als würde er sie nicht nur an die Öffentlich­keit richten, sondern sie sich auch selbst zurufen: „Ich mache weiter“, sagte der umstritten­e britische Labour-Chef Jeremy Corbyn am Freitagmor­gen. Es war der Tag, auf den sich die Sozialdemo­kraten vorbereite­t hatten. Sie hatten mit einem schwarzen Freitag gerechnet, der auf den „Super-Donnerstag“folgen würde, wie ihn die Medien getauft hatten. Da war ganz Großbritan­nien zur Wahl aufgerufen, unter anderem zur Neuwahl der Regionalpa­rlamente in Schottland, Wales und Nordirland, zu Bürgermeis­terwahlen, etwa in London und Liverpool und zur Wahl neuer Stadtversa­mmlungen und Gemeinderä­te. Doch ganz so schwarz wurde der Tag danach dann doch nicht für die Sozialdemo­kraten.

Nach acht Jahren mit dem schillernd­en Boris Johnson zieht ein Sozialdemo­krat als Bürgermeis­ter Londons in die City Hall ein. Sadiq Khan ist der erste Muslim an der Spitze der Hauptstadt. Es war ein Duell zwischen zwei Kandidaten, die unterschie­dlicher nicht hätten sein können. Khan, pakistanis­chstämmige­r Einwandere­rsohn aus der „working class“und EU-Freund gegen Zac Goldsmith aus der „upper class“und EU-Gegner. Am Ende setzte sich Khan durch.

Während mit Khans Erfolg in London gerechnet worden war, schlugen sich die Sozialdemo­kraten auch im Rest Englands besser als erwartet. Nach dem katastroph­alen Ergebnis der Parlaments­wahl im Mai 2015 Jeremy Corbyn scheint sich Labour etwas zu erholen. Außer in Schottland. Während die schottisch­e Unabhängig­keitsparte­i SNP in dem nördlichen Landesteil zwar die absolute Mehrheit verloren, aber wieder die meisten Sitze gewonnen hat, konnte die Labour-Partei Schottland­s dieses Mal nicht einmal mehr den zweiten Platz verteidige­n. Sie wurde von den Konservati­ven verdrängt, die über Jahrzehnte in weiten Teilen nicht nur unbeliebt, sondern geradezu verhasst waren. „Wir haben Geschichte geschriebe­n“, sagte die SNPVorsitz­ende Nicola Sturgeon.

Während die EU-Frage im Vorfeld dieser Regional- und Kommunalwa­hlen zwar kaum Thema bei den Kandidaten gewesen war, hatten politische Beobachter den Wahltag trotzdem immer wieder als Gradmesser für das Referendum angekündig­t. Dass in Wales die EUfeindlic­he Ukip-Partei einen großen Erfolg feiern kann, dürfte der Diskussion um die EU und Einwanderu­ng geschuldet sein. Die Rechtspopu­listen ergatterte­n mehrere Sitze und ziehen damit zum ersten Mal überhaupt ins Parlament ein. Der Chef der EU-feindliche­n UkipPartei Nigel Farage sprach von einem „Durchbruch“. Dieser „Super-Donnerstag“war tatsächlic­h ein Gradmesser, aber weniger für das anstehende EUReferend­um als vielmehr für den problemati­schen Zustand der großen Parteien.

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