Schon wieder Schicksalstage
Athen steht erneut mit dem Rücken zur Wand – Machtprobe für Premier Tsipras
Das Parlament soll massive Rentenkürzungen beschließen, das Volk streikt. Griechenland ist von einer Gesundung noch weit entfernt. Montag treffen sich erneut die Geldgeber in Brüssel.
Brüssel/Athen. Es sind wieder einmal Schicksalstage für Griechenland: In der Nacht zum Montag soll das Parlament neue Sparmaßnahmen für die Rente und höhere Steuern beschließen. Am Montag kommt die Euro-Gruppe in Brüssel zusammen.
Doch im Vorfeld versinkt das Land im Streik-Chaos.
Es sind schlechte Zeiten für Griechenland-Urlauber. Der Flugverkehr nach Athen und auf die Inseln lief gestern zwar ohne Störungen. Doch die Gewerkschaft der Seeleute (PNO) hat bis zum kommenden Dienstag alle Fähren an die Kette gelegt. Auch die Eisenbahnen stehen still. Die Regierung spart, das Volk streikt. „Nieder mit dem Gesetz – Fallbeil für unsere Renten“, skandierten Demonstranten in der Innenstadt. In Radio und Fernsehen liefen gestern nur Filme und Musiksendungen, weil die Redakteure sich dem Ausstand angeschlossen hatten.
Alle Blicke sind auf die kommende Parlamentssitzung gerichtet: Premier Alexis Tsipras versucht dort die große Rentenreform durchzusetzen. Die Folgen sind dramatisch: Um bis zu 30 Prozent werden die Bezüge neuer Ruheständler sinken, was
In Athen gingen gestern zahlreiche Griechen gegen die geplanten Rentenkürzungen auf die Straße.
Ausgaben in Höhe von 1,8 Milliarden Euro sparen könnte. Weitere 1,8 Milliarden Euro soll eine Steuerreform bringen – beide Maßnahmen gehören zu den Auflagen der Geldgeber. Die treffen sich bereits am Montag in Brüssel im Rahmen der EuroGruppe.
Eine positive Entscheidung ist dringend nötig. Schon im Juli muss Athen Raten in Gesamthöhe von 3,67 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF), die Europäische Zentralbank (EZB) und andere Gläubiger zurückzahlen. Obwohl sich die griechische Regierung erst in den letzten Tagen am Kapitalmarkt frisches Kapital beschaffen konnte, ist diese Summe nicht verfügbar. Ein neuer Griff in das 86 Milliarden Euro schwere dritte Hilfspaket steht an. Doch ob es bis Montag wirklich einen Durchbruch gibt, ist offen. Tsipras verfügt im Parlament nur über eine knappe Mehrheit von 153 der 300 Stimmen. Und der Widerstand in den eigenen Reihen wächst.
Für den 41-jährigen Chef des linken Syriza-Bündnisses hat sich die Situation zu einer Machtprobe ausgewachsen, die auch über seine politische Zukunft entscheiden könnte. Zumal der Druck der Geldgeber wächst. „Frankreich wünscht am Montag eine Einigung über Griechenland“, ließ Staatspräsident François Hollande mitteilen. EU-Ratspräsident Donald Tusk will die Causa Athen bis zum G7- Gipfel in Japan Ende Mai abgeschlossen haben. Inzwischen wären die Verantwortlichen in Athen und Brüssel aber schon froh, wenn die Finanzminister am Montag wenigstens grünes Licht für weitere Schritte geben würden. „Eine Einigung ist möglich“, sagte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici vor wenigen Tagen. Und auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gibt sich optimistisch. Doch die Lage ist schwierig, weil es inzwischen nicht mehr nur um die aktuellen Sparauflagen geht, sondern auch noch um einen weiteren Katalog zur Krisenprävention. Der Internationale Währungsfonds drängt auf vorbeugende Einschnitte in den Staatshaushalt, die – und darauf legt man in Washington Wert – „automatisch“in Kraft treten, wenn Wachstumsziele nicht erreicht werden. Im Prinzip hatte Tsipras dies bereits akzeptiert – am Freitag hieß es dagegen vom Chef des ESM-Rettungsschirm der Euro-Zone, Klaus Regling, der Premier lehne einen solchen zusätzlichen Sparkatalog über 3,6 Milliarden wieder ab. Somit gebe es ein „heißes Wochenende in der Abgeordnetenkammer“, meinte gestern die Athener Zeitung „Ta Nea“.