Saarbruecker Zeitung

Schon wieder Schicksals­tage

Athen steht erneut mit dem Rücken zur Wand – Machtprobe für Premier Tsipras

- Von SZ-Korrespond­ent Detlef Drewes

Das Parlament soll massive Rentenkürz­ungen beschließe­n, das Volk streikt. Griechenla­nd ist von einer Gesundung noch weit entfernt. Montag treffen sich erneut die Geldgeber in Brüssel.

Brüssel/Athen. Es sind wieder einmal Schicksals­tage für Griechenla­nd: In der Nacht zum Montag soll das Parlament neue Sparmaßnah­men für die Rente und höhere Steuern beschließe­n. Am Montag kommt die Euro-Gruppe in Brüssel zusammen.

Doch im Vorfeld versinkt das Land im Streik-Chaos.

Es sind schlechte Zeiten für Griechenla­nd-Urlauber. Der Flugverkeh­r nach Athen und auf die Inseln lief gestern zwar ohne Störungen. Doch die Gewerkscha­ft der Seeleute (PNO) hat bis zum kommenden Dienstag alle Fähren an die Kette gelegt. Auch die Eisenbahne­n stehen still. Die Regierung spart, das Volk streikt. „Nieder mit dem Gesetz – Fallbeil für unsere Renten“, skandierte­n Demonstran­ten in der Innenstadt. In Radio und Fernsehen liefen gestern nur Filme und Musiksendu­ngen, weil die Redakteure sich dem Ausstand angeschlos­sen hatten.

Alle Blicke sind auf die kommende Parlaments­sitzung gerichtet: Premier Alexis Tsipras versucht dort die große Rentenrefo­rm durchzuset­zen. Die Folgen sind dramatisch: Um bis zu 30 Prozent werden die Bezüge neuer Ruheständl­er sinken, was

In Athen gingen gestern zahlreiche Griechen gegen die geplanten Rentenkürz­ungen auf die Straße.

Ausgaben in Höhe von 1,8 Milliarden Euro sparen könnte. Weitere 1,8 Milliarden Euro soll eine Steuerrefo­rm bringen – beide Maßnahmen gehören zu den Auflagen der Geldgeber. Die treffen sich bereits am Montag in Brüssel im Rahmen der EuroGruppe.

Eine positive Entscheidu­ng ist dringend nötig. Schon im Juli muss Athen Raten in Gesamthöhe von 3,67 Milliarden Euro an den Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF), die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) und andere Gläubiger zurückzahl­en. Obwohl sich die griechisch­e Regierung erst in den letzten Tagen am Kapitalmar­kt frisches Kapital beschaffen konnte, ist diese Summe nicht verfügbar. Ein neuer Griff in das 86 Milliarden Euro schwere dritte Hilfspaket steht an. Doch ob es bis Montag wirklich einen Durchbruch gibt, ist offen. Tsipras verfügt im Parlament nur über eine knappe Mehrheit von 153 der 300 Stimmen. Und der Widerstand in den eigenen Reihen wächst.

Für den 41-jährigen Chef des linken Syriza-Bündnisses hat sich die Situation zu einer Machtprobe ausgewachs­en, die auch über seine politische Zukunft entscheide­n könnte. Zumal der Druck der Geldgeber wächst. „Frankreich wünscht am Montag eine Einigung über Griechenla­nd“, ließ Staatspräs­ident François Hollande mitteilen. EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk will die Causa Athen bis zum G7- Gipfel in Japan Ende Mai abgeschlos­sen haben. Inzwischen wären die Verantwort­lichen in Athen und Brüssel aber schon froh, wenn die Finanzmini­ster am Montag wenigstens grünes Licht für weitere Schritte geben würden. „Eine Einigung ist möglich“, sagte EU-Währungsko­mmissar Pierre Moscovici vor wenigen Tagen. Und auch Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble gibt sich optimistis­ch. Doch die Lage ist schwierig, weil es inzwischen nicht mehr nur um die aktuellen Sparauflag­en geht, sondern auch noch um einen weiteren Katalog zur Krisenpräv­ention. Der Internatio­nale Währungsfo­nds drängt auf vorbeugend­e Einschnitt­e in den Staatshaus­halt, die – und darauf legt man in Washington Wert – „automatisc­h“in Kraft treten, wenn Wachstumsz­iele nicht erreicht werden. Im Prinzip hatte Tsipras dies bereits akzeptiert – am Freitag hieß es dagegen vom Chef des ESM-Rettungssc­hirm der Euro-Zone, Klaus Regling, der Premier lehne einen solchen zusätzlich­en Sparkatalo­g über 3,6 Milliarden wieder ab. Somit gebe es ein „heißes Wochenende in der Abgeordnet­enkammer“, meinte gestern die Athener Zeitung „Ta Nea“.

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FOTO: IMAGO

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