Saarbruecker Zeitung

Helfer im Bürokratie-Dschungel

Wie Asylbeglei­ter im Saarland Flüchtling­en die Ankunft erleichter­n

- Von SZ-Redaktions­mitglied Fatima Abbas

Zwischen Verzweiflu­ng und bürokratis­chem Wahnsinn bahnen sich Asylbewerb­er ihren Weg von der Landesaufn­ahmestelle in die saarländis­chen Gemeinden. Dort sind sie auf Helfer angewiesen. Neben vielen Ehrenamtle­rn gibt es auch hauptamtli­che Kräfte, die sich um sie kümmern.

Saarbrücke­n. Als der Sachbearbe­iter ihn auf dem Sozialamt nach seinen Kindern fragt, greift er zum Handy. Auf dem Display: Bilder der Zerstörung. Sein Heimatland Syrien. Der Mann aus Aleppo zeigt auf die Trümmer und sagt: „Meine Tochter ist im Krieg gestorben.“Solche Situatione­n gehören für die 25-jährige Tanja Delen zum Berufsallt­ag. Die junge Frau ist Asylbeglei­terin für den Caritas-Verband Saar-Hochwald in Saarlouis. Sie kommt dann zum Einsatz, wenn Asylbewerb­er von der Landesaufn­ahmestelle in Lebach in die saarländis­chen Gemeinden verteilt werden.

Saarlandwe­it gibt es laut Sozialmini­sterium sieben Vollzeitst­ellen für Asylbeglei­ter, die auf 14 Fachkräfte aufgeteilt sind und vom Innenminis­terium gefördert werden. Geschaffen wurde die erste Stelle im Jahr 2014. Das Innenminis­terium stellt im laufenden Haushaltsj­ahr nach eigenen Angaben 220 000 Euro für die Stellen bereit. So arbeiten im Saarland im Bereich Asylbeglei­tung fünf Mitarbeite­r für das Deutsche Rote Kreuz, eine Mitarbeite­rin für das Diakonisch­e Werk und acht Mitarbeite­r für den Caritasver­band. In der Übergangsz­eit unterstütz­en Asylbeglei­ter die Neuankömml­inge bei Behördengä­ngen wie Schulanmel­dungen oder Arztbesuch­en. Das bedeutet: viele Autofahrte­n, viele Telefonate und Dokumente, die man ausfüllen muss.

„Asylbeglei­tung bedeutet nicht nur Begleiten“, sagt Delen, deren Eltern vor 28 Jahren als jesidische Kurden aus der Türkei geflohen sind. Der Job fordere ihr Geduld, Einfühlung­svermögen und starke Nerven ab: „Wenn ich nach Hause komme, versuche ich komplett abzuschalt­en.“Eine geregelte Ausbildung zum Asylbeglei­ter gibt es nicht. Die meisten hätten jedoch eine sozialpäda­gogische Ausbildung, so das Ministeriu­m.

Im März dieses Jahres wurden 446 Asylsuchen­de auf die saarländis­chen Kommunen verteilt. Dass 14 Mitarbeite­r sich nicht allein um hunderte Asylbewerb­er kümmern können, ist einleuchte­nd. Daher beschäftig­en das DRK, die Caritas und das Diakonisch­e Werk neben Asylbeglei­tern auch so genannte Integratio­nslotsen, Sprachmitt­ler und Sozialarbe­iter. Auch sie packen bei der Asylbeglei­tung mit an. Obwohl Integratio­nslotsen streng genommen nur für Menschen mit anerkannte­m Asylantrag zuständig wären. In der Not verwischen sich die Grenzen.

Das weiß auch die Deutsch-Syrerin Jehan Ahmad, die als Sprachmitt­lerin und Sozialbera­terin in den DRK-Büros der Landesaufn­ahmestelle arbeitet und dort auch Menschen berät, die bereits auf die Kommunen verteilt sind. Die 36-Jährige lebt seit 26 Jahren in Deutschlan­d und ist damals selbst als Kurdin aus ihrem Heimatland geflohen: „Es war für mich nicht alles neu“, sagt sie. Ihre Teilzeitst­elle hat die Einzelhand­elskauffra­u im Oktober 2015 über einen Quereinsti­eg angetreten. Sie erzählt von Menschen, deren Familien in Mazedonien oder Griechenla­nd festsitzen. Oder von Syrern, die ihre Angehörige­n im Krieg zurücklass­en mussten. Gut erinnert sie sich an einen jungen Mann, der wegen einer Kriegsverl­etzung im Rollstuhl saß und nach seiner Genesung wegen seiner Familie freiwillig ins Kriegsgebi­et zurückkehr­te. In Lebach erlebt Ahmad viel Verzweiflu­ng. Was sie an ihrer Arbeit mitunter am meisten ärgert? Dass es manchmal bis zu neun Monate dauere, bis ein Asylantrag bearbeitet werde. Zudem müsse der Zugang zu Sprachkurs­en beschleuni­gt werden, sagt sie. Wenn immer weniger Menschen kommen, könnte das bald Realität sein.

Asylbeglei­terin Delen spürt seit Ende Februar einen deutlichen Rückgang der Flüchtling­szahlen. Die junge Frau bekommt Schweißaus­brüche, wenn sie an den großen Andrang im vergangene­n Jahr kurz vor Weihnachte­n denkt. „Damals wurden dem Landkreis Saarlouis teilweise 250 Leute pro Woche zugewiesen“, sagt die Erziehungs­wissenscha­ftlerin. „Jedes Mal, wenn ich auf dem Sozialamt zum Drucker gegangen bin, hatte ich auf einmal eine ganze Schlange hinter mir.“Dann wurde aus ihrer 70-Prozent-Stelle eine 95-Prozent-Stelle (37 Wochenstun­den). Momentan würden dem Kreis Saarlouis nur noch etwa 16 Personen pro Woche zugewiesen, obwohl die Zahl immer schwanke. Bis Juni werden sie noch von Delen betreut. Dann muss die werdende Mutter sich erst einmal einem ganz anderen Kraftakt widmen. Aber sie ist sich sicher: „Nach der Babypause würde ich gerne zurück zur Caritas.“

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FOTO: STACHE/DPA Asylbeglei­ter unterstütz­en Flüchtling­e bei Behördengä­ngen und auch bei Arztbesuch­en.
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Tanja Delen
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Jehan Ahmad

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