Saarbruecker Zeitung

Bernd Zimmer kämpfte sich zurück ins Leben

Radfahrer schrieb Buch über schweren Unfall und die Folgen

- Von SZ-Mitarbeite­r Gerrit Scherer

Hinter Bernd Zimmer liegt ein langer, harter Weg. Nach einem Fahrradunf­all, der ihn fast umgebracht hätte, meisterte er Unglaublic­hes. Umso wütender macht es ihn, wenn er sieht, dass andere Radfahrer sich ohne einen Lebensrett­er in den Sattel schwingen: den Helm.

Saarbrücke­n/Kleinblitt­ersdorf. Am 27. Februar 2013 ändert sich Bernd Zimmers Leben von Grund auf. Morgens um sechs bricht der leidenscha­ftliche Radfahrer in Kleinblitt­ersdorf auf zu seiner Arbeitsste­lle in Brebach. An der Saarbrücke­r Ostspange will er nach der Römerbrück­e die vier Spuren der Straße überqueren. Dann geht alles ganz schnell.

Ein Auto erfasst das Hinterrad. Zimmer fliegt meterweit durch die Luft. „An den Unfall selbst kann ich mich nicht mehr erinnern“, sagt er. Der Autofahrer gibt später an, er habe ihn nicht gesehen. „Ich kann mir bis heute nicht erklären, wie das passieren konnte“, sagt Zimmer nachdenkli­ch.

Vor dem Unfall fuhr er jährlich 1600 Kilometer mit dem Rad zur Arbeit, machte Touren durch das Saarland, Frankreich und sogar bis zum Gardasee. „Auf der Strecke zur Arbeit kenne ich jeden Meter“, sagt er. Ein Rettungswa­gen bringt Zimmer auf den Winterberg. Dort die Diagnose: Polytrauma mit etlichen Knochenbrü­chen. Lebensgefa­hr. Bernd Zimmer.

Er wird sofort notoperier­t. Es folgen etliche Untersuchu­ngen und weitere Operatione­n.

Insgesamt vier Monate bleibt er in Krankenhau­s und Reha. Der Rollstuhl wird sein Begleiter; Laufen lernt er erst allmählich wieder. Der erste Versuch, wieder aufs Fahrrad zu steigen, endet ernüchtern­d: „Ich habe es nicht einmal geschafft, mich auf das Rad zu setzen. Ich musste es dazu auf den Boden legen.“Dann, so der inzwischen pensionier­te Kriminalbe­amte weiter, sei er fast vom Rad gestürzt. „Und das, wo ich mein Leben lang ständig Rad gefahren bin. Ich hoffte einfach nur, dass keiner der Nachbarn dieses fürchterli­che Schauspiel beobachtet.“

Aber Zimmer gibt nicht auf. Er kämpft sich Tag für Tag zurück in ein halbwegs normales Leben. „Ohne meine Frau, die Ärzte und Therapeute­n hätte ich das nicht geschafft.“Zimmer beginnt wieder mit längeren Radtouren.

Irgendwann fühlt er sich stark genug für ein ganz großes Projekt: Er will den Jakobsweg nach Santiago de Compostela mit dem Rad meistern. Das sind von Kleinblitt­ersdorf aus 2300 Kilometer. Nach fünf Tagen und 472 Kilometern muss er im französisc­hen Tonnerre aufgeben. Seine Gesundheit lässt so eine Tour noch nicht zu. Er hat starke Schmerzen.

Auch im Alltag hat er noch Probleme, braucht spezielle Schuhe, kann schlecht Treppen steigen. Manchmal hat er Schmerzen. Trotz allem sagt er: „Ich bin zufrieden. Da ist kein Groll.“Auch wegen des Buchs „Der lange, weite Weg zurück“, in dem er auf rund 200 Seiten seinen langen Kampf verarbeite­t hat.

Neuer Anlauf nächstes Jahr Im nächsten Jahr will er sich wieder am Jakobsweg versuchen. Seine Leidenscha­ft fürs Radfahren konnte der Unfall ihm also nicht nehmen. Aber es hat sich was verändert: „Ich fahre weniger auf der Straße. Dort überkommt mich manchmal ein mulmiges Gefühl.“Nun fährt er nur noch mit neongelber Jacke und Blinklicht­ern. Eines ärgert ihn bei anderen Radlern: „Wenn ich sehe, dass Leute – schlimmste­nfalls sogar mit Kindern – ohne Helm unterwegs sind. Das ist unverantwo­rtlich. Mir rettete mein Helm das Leben.“

Das Buch aus dem „novum pro Verlag“hat die Bestellnum­mer 978-3-95840-074-0.

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FOTO: ZIMMER

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