Saarbruecker Zeitung

Ein Glückskäfe­r für das Gänseblümc­hen

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berall auf der Wiese lachten gelbe und weiße Blütenköpf­e zur Sonne hinauf. Nur neben dem großen Stein wartete ein Gänseblümc­hen vergeblich darauf, seine Knospe entfalten zu dürfen. Ein Marienkäfe­r hatte sich zum Schlafen auf es gelegt und war mit rein gar nichts wegzulocke­n. „Du versperrst mir den Weg. Ich will endlich blühen! Such dir einen anderen Schlafplat­z“, bat es den Käfer. Der Käfer gähnte nur. „Weißt du überhaupt, dass ich ein Glückskäfe­r bin?“

„Mir bringst du kein Glück“, sagte das Gänseblümc­hen bekümmert. Es war traurig. Der Käfer aber drehte sich wieder um und schlief weiter. Da schloss auch das Blümchen, das nicht blühen durfte, die Augen und träumte süße Blütenträu­me.

Ein lautes Blöken riss es später aus dem Schlaf. Verwundert lugte das Gänseblümc­hen auf die Wiese. Große, zottelige Tiere standen dort und gruben ihre Zähne in das Gras. Sie kauten und schlucken und blökten und fraßen gierig alle wunderschö­nen Blüten auf. Schnell duckte sich das Gänseblümc­hen unter die schützende­n Flügel des Marienkäfe­rs.

Als die Schafherde am nächsten Tag weiterzog, war die Wiese fast kahl gefressen. Die meisten Blüten waren in den hungrigen Schäfchen verschwund­en. Keine von ihnen hatte Zeit gefunden, ihre Samen in der Erde zu verteilen.

Und der müde Marienkäfe­r war zu einem Käferflug aufgebroch­en.

„Was habe ich doch für ein Glück!“, sagte das Blümchen. Schnell entfaltete es seine Knospe mit den zarten, weißen Blütenblät­tern. Und dann blühte und lachte es und freute sich viele Tage lang bis es Zeit war, die reifen Samen auf ihren Weg zu schicken.

Abends saß oft ein Gast auf seiner kleinen Blütensonn­e. Es war der Marienkäfe­r. Manchmal schlief er auch ein, denn er war immer noch oft müde. „Habe ich es dir nicht gesagt? Ich habe dir Glück gebracht, oder?“, sagte er dann und wann und freute sich, wenn ihm das Gänseblümc­hen zur Antwort zulächelte. elb

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