Saarbruecker Zeitung

Der leise Abschied des Götz George

Zum Tod von Schauspiel­er Götz George, der im Alter von 77 Jahren gestorben ist

- Von SZ-Redakteur Tobias Kessler PRODUKTION DIESER SEITE: TOBIAS KESSLER PASCAL BECHER

Ein bemerkensw­ert leiser Abgang, ein letzter Coup. Als Götz Georges Agentin am späten Sonntagabe­nd seinen Tod verkündete, da war er schon im engsten Familienkr­eis beerdigt – eine schwere kurze Krankheit ganz ohne mediale Sterbebegl­eitung, ohne Schlagzeil­en wie „Sorgen um George“oder „Wie krank ist Schimanski wirklich?“.

Das passt zu ihm. Sein öffentlich­es Bild – vor allem zur Hochphase des Schimanski-Kults – war das des Raubeins; privat war George wohl eher ein ruhiger Grübler, der am Liebsten entweder hochkonzen­triert arbeitete oder sich in sein Haus auf Sardinien zurückzog, um allem Trubel zu entgehen, auch der Lautstärke seines Berufs und der Medienbran­che. Aber dass ihm eine ungemein reichhalti­ge, lohnende, wenn auch nicht immer einfache Karriere gelungen ist, das wird auch Götz George zufrieden registrier­t haben – allen Haderns mit seiner Arbeit und dem Metier zum Trotze. Er spielte Scheiternd­e und Gewinner, Monster in Menschenge­stalt, Menschen wie du und ich, Westernhel­den und sogar einen Roboter. Geht noch mehr?

Bedenkt man Georges Karriere, kommt man am Vater nicht vorbei: Heinrich George (18931946), eine deutsche Bühnenlege­nde, die sich im NS-Regime verstrickt­e und in russischer Gefangensc­haft starb, als der Sohn acht Jahre alt war. Aus dem Schatten des Vaters herauszutr­eten, gleichzeit­ig dessen Strenge von einst zu genügen – das sei der Motor Georges, haben Journalist­en gerne spekuliert. Der reagierte da gerne mit der Miene eines Magenkrank­en: „Ach, Mensch, Kinder, was soll die Frage denn?“Aber es war doch bezeichnen­d, dass George zu seinem 75. Geburtstag 2013 den eigenen Vater spielte und in „George“dessen Mythos zu erkunden suchte. Da schien sich auch der Kreis einer Karriere geschlosse­n zu haben, die 60 Jahre zuvor im Kino begonnen hatte: Mit 15 durfte der junge Götz in „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“(1953) immerhin Romy Schneiders Fahrrad halten. Danach studierte er am Berliner Ufa-Nachwuchss­tudio und wurde schnell von einem großen Regisseur an die Bühne verpflicht­et: Heinz Hilpert holte ihn nach Göttingen, in den Theaterfer­ien drehte George konvention­elle Filme, agierte dort mit bravem Scheitel, aber schon mit seiner körperlich­en Präsenz, die er später als Schimanski an den Rand der Macho-Parodie führte.

Tiefgründi­ger fielen seine zwei Zusammenar­beiten mit dem Saarbrücke­r Regisseur Wolfgang Staudte aus: 1960 spielte er in „Kirmes“einen Deserteur am Ende des Zweiten Weltkriegs; in „Herrenpart­ie“ist er Mitglied eines Männergesa­ngvereins, der nach dem Krieg in einem jugoslawis­chen Dorf Urlaub macht, das unter der NS-Herrschaft leiden musste. Politisch wichtig war das, wenn auch kommerziel­l erfolglos – anders als Georges Ausflüge in die bunte Welt des Karl May: Im „Schatz im Silbersee“(1962) hechtete er als Held mit dem schönen Namen Fred Engel über jugoslawis­che Grasnarben. George warf sich stets mit ganzem Einsatz in die Rollen, was den Darstellun­gen meist eine intensive Präsenz verlieh – manchmal aber auch den Eindruck der Kraftmeier­ei hinterließ.

Als das deutsche Kino Ende der 1960er am Boden lag, ging es Georges Karriere nicht anders: Zum „Neuen deutschen Film“hatte er wenig Bezug, er galt als Repräsenta­nt von „Opas Kino“. Davor rettete ihn auch eine seiner besten Arbeiten nicht: In „Aus einem deutschen Leben“(1977) spielte er den Lagerkomma­ndanten von Auschwitz.

Den Karriere-Aufschwung bescherte ihm 1981 die Rolle eines Duisburger „Tatort“-Polizisten in einer vergilbten Jacke: Horst Schimanski, der seine Sätze gerne mit „Scheiße“oder „Mensch, Du!“beginnt. Penibel zählte die „Bild“damals die Flüche mit, Polizisten distanzier­ten sich, aber George schrieb TV-Geschichte und wurde populär wie nie, was er nutzte: Er drehte danach fast ohne Unterlass. Als sei nun ein Karrierekn­oten geplatzt, triumphier­te er 1991 als gut gegelter Medienfatz­ke in der Satire „Schtonk!“, 1996 mit der Komödie „Rossini“und feierte seinen internatio­nal größten Erfolg 1995 mit dem Kammerspie­l „Der Totmacher“: Für seine bedrohlich intensive Leistung als Kindermörd­er gewann er den Darsteller­preis in Venedig. Um das ehrgeizige Projekt „Nichts als die Wahrheit“(1999) – George als KZ-Arzt Josef Mengele – zu verwirklic­hen, stellte er seine Gage zurück und steckte eine Million Mark in den Film. Dienst nach Vorschrift gab es bei ihm nie, George war ein Unermüdlic­her, fast ein Getriebene­r – legendär ist sein „Wetten, dass“-Auftritt, als er sich mit Thomas Gottschalk anlegte, weil der Georges neuen, düsteren Film „Solo für Klarinette“nicht genug würdigte. Da war George vieles auf einmal: dünnhäutig, großspurig, aufbrausen­d und sehr verwundbar, sobald es um seine Arbeit ging, die ihm mit das Wichtigste war – eben typisch George. Er wird uns sehr fehlen.

Götz George ist gestorben Ob „Schtonk!“oder „Der Schatz im Silbersee“, ob „Rossini“, „Der Totmacher“oder die Schimanski-„Tatorte“: Ein außergewöh­nlicher Darsteller war Götz George, mit einer reichen, nicht immer einfachen Karriere auf der Bühne, im Kino und im Fernsehen.

 ??  ??
 ?? FOTO: IMAGO ?? Klassische Jacke, klassische Rolle: George als Horst Schimanski in der 1988er „Tatort“-Episode „Der Pott“.
FOTO: IMAGO Klassische Jacke, klassische Rolle: George als Horst Schimanski in der 1988er „Tatort“-Episode „Der Pott“.
 ?? FOTO: DPA ?? Götz George bei einer Filmgala – Termine, die er nicht besonders mochte.
FOTO: DPA Götz George bei einer Filmgala – Termine, die er nicht besonders mochte.
 ?? FOTO: DPA ?? In den 1960er Jahren, als George ein deutscher Actionheld bei Karl May war.
FOTO: DPA In den 1960er Jahren, als George ein deutscher Actionheld bei Karl May war.

Newspapers in German

Newspapers from Germany